In den Gründungsjahren der Notgemeinschaft war es angesichts des generell knappen Budgets, das zudem durch die fortschreitende inflationäre Entwertung der Mark belastet wurde, nur sehr eingeschränkt möglich, Forschung im großen Stil zu fördern. Im ersten Jahresbericht der Notgemeinschaft wird dementsprechend ausgeführt (Notgemeinschaft 1922: 10):
„Die Hilfstätigkeit der Notgemeinschaft erstreckt sich auf die Gewährung von:
Die Druckunterstützung war bei Aufnahme des Fördergeschäfts das mit Abstand wichtigste Förderinstrument. Dies geht aus der folgenden Tabelle aus dem ersten Jahresbericht der Notgemeinschaft hervor, die detailliert über die Verteilung der Mittel auf die damals neu eingerichteten Fachausschüsse Auskunft gibt.
Allgemeine Übersicht der Bewilligungen im Geschäftsjahr 1921/22.
Quelle: Notgemeinschaft 1922: 12.
Annähernd 60 Prozent der Mittel wurden für diesen Zweck bereitgestellt. In den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachausschüssen lag die Quote noch deutlich höher, bis hin zu 100 Prozent wie etwa in der Theologie oder der Jurisprudenz. Dass umgekehrt etwa in der Chemie keine Druckunterstützung notwendig schien, erklärt sich laut Jahresbericht „daraus, daß bei den letzteren die Zeitschriften infolge ihrer Bedeutung für die Industrie usw. sich in gewissem Umfange selbst zu erhalten in der Lage sind“ (Notgemeinschaft 1922: 13).
Die in der Tabelle ausgewiesenen Beträge addieren sich auf einen Gesamtbetrag von knapp 18 Millionen Mark. In ähnlicher Größenordnung (13 Millionen Mark) wendete der eigens eingesetzte Bibliotheksausschuss Mittel für die Beschaffung von Auslandsliteratur auf. Die in jenen Jahren einsetzende Hyperinflation machte die Planungen allerdings rasch zur Makulatur, die fortschreitende Entwertung der deutschen Mark erschwerte die ursprünglichen Ankaufspläne ausländischer Literatur. Die Arbeit konzentrierte sich daher zunächst „auf die Anbahnung und Fruchtbarmachung von Beziehungen zum Auslande“ (Notgemeinschaft 1922: 11). Erfolgreich war der Ausschuss in der international anerkannten Notlage dagegen auf dem Gebiet von Schenkungen: „Seiner Tätigkeit gelang es, Geschenke von Literatur im Werte von mehreren Millionen Mark aus dem Auslande, vor allem aus den nordischen Ländern und Amerika, hereinzubringen“ (Notgemeinschaft 1922: 11).
In GEPRIS Historisch sind Aktivitäten auf dem Gebiet der Literaturbeschaffung aufgrund der Aktenlage nur lückenhaft abgebildet.
In den frühen Jahren der Notgemeinschaft zählte es zweifellos zu ihren Hauptaufgaben, die besondere Situation junger Wissenschaftler zu verbessern. Deutlich wird dies bereits im ersten Jahresbericht, wie der folgende Textauszug veranschaulicht.
Wenn die Notgemeinschaft bei ihrer Tätigkeit auch überall die Fürsorge um die oft schwer um ihre Existenz ringenden Forscher ausschalten mußte, so hat sie doch eine äußerst wichtige Aufgabe vorgefunden: die Erhaltung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ein bescheidener Anfang konnte dank des Eingreifens des Stifterverbandes gemacht werden. Die Ermittlungen, die als Grundlage für die Verleihung von Forschungsstipendien dienen sollten, haben ein erschütterndes Bild von der drohenden Gefahr des Absterbens der wissenschaftlichen Tradition entrollt. Zwar ist der Andrang zur wissenschaftlichen Laufbahn noch nicht zum Stillstand gekommen; aber die Not ist furchtbar, und trotz aller Liebe zur Wissenschaft, trotz aller Entsagungen ist es nur eine Frage der Zeit, wie lange der einzelne, der nicht mit Glücksgütern überreich gesegnet ist, noch durchhalten kann. Wie viele Berufene sind schon entmutigt in das Erwerbsleben abgewandert! Hier ist es höchste Zeit, durchgreifend zu helfen. Daß sich die Hilfe der Notgemeinschaft nur den Aussichtsreichsten unter den Jüngern der Wissenschaft zuwenden darf, und daß hier noch mehr als in den anderen großen allgemeinen Fragen die Mittelmäßigkeit rücksichtslos zu übergehen ist, muß mit aller Schärfe festgehalten werden.
Quelle: Notgemeinschaft 1922: 35f.
Forschungsstipendien stellten also von Beginn an einen wichtigen Teil des DFG-Förderportfolios dar, wenn auch zunächst in nur bescheidenem Umfang. Der im Zitat erwähnte Stifterverband für die deutsche Wissenschaft , im selben Jahr gegründet wie die Notgemeinschaft, hatte unter seinen Mitgliedern ein Startkapital von 2,4 Millionen Mark für die Notgemeinschaft akquiriert. Die Hälfte davon war ausdrücklich für Forschungsstipendien ausgesetzt. Der Jahresbericht hält allerdings fest, dass diese Summe aufgrund der Hyperinflation für gerade einmal 43 Stipendiaten genügte und daher um einen nicht genannten Betrag aus dem normalen Budget aufgestockt werden musste (vgl. Notgemeinschaft 1922: 14).
Dass diese Größenordnung das strukturelle Problem der sich massiv gestaltenden Nachwuchslücke nicht lösen konnte, war offensichtlich. Im Jahr 1925, als endlich wieder an eine Art „Normalbetrieb“ zu denken war, starteten die Verantwortlichen deshalb in Form von zwei Denkschriften einen besonderen Appell an die Geldgeber aus Politik und Wirtschaft. Friedrich Schmidt-Ott, der damalige Präsident, verfasste das Hauptwerk „Denkschrift über die Forschungsaufgaben der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im Bereich der Nationalen Wirtschaft, der Volksgesundheit und des Volkswohls“. Damit gelang es ihm im Frühjahr 1925, einen Sonderfonds von 5 Millionen Reichsmark für das neu entwickelte Programm „Gemeinschaftsarbeiten“ durchzusetzen. Fritz Haber, Mitglied des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und wie Schmidt-Ott einer der Gründungsväter der Notgemeinschaft, ergänzte diese Denkschrift in Form einer bescheiden als „Anlage“ titulierten Schrift, um mit flammenden Worten für eine deutlich intensivierte Nachwuchsförderung zu werben. Dabei schreckte er, wie sich in der folgenden Infobox nachlesen lässt, weder vor deutlich nationalistischen Akzenten zurück, noch davor, das wissenschaftliche Establishment zu brüskieren. Aber er verstand es auch, mit einfachen Bildern zu argumentieren und schlussendlich für sein Anliegen zu überzeugen.
...Dabei ist eines ganz klar. Alle gesättigten Menschen, deren Leben auf vergangenen Leistungen aufgebaut ist und die auf ihrem früheren Können ausruhen, sind voll des größten Bedenkens, ihre Erfahrungen an andere weiterzugeben, weil sie sie dann nicht mehr allein haben. Aber diese Leute helfen unserer Wirtschaft nicht zu einem neuen allgemeinen Wohlstande. Die aber, deren Leben und Zukunft auf dem gegenwärtigen Können und auf der schöpferischen Leistung sich aufbaut, die sie täglich neu vollbringen, die können viel abgeben an das Ausland, weil sie selbst viel Neues hervorbringen, und durch das führend bleiben, was sie neu erschaffen.
Nun haben wir eine Bevölkerung und ein Ausbildungssystem, die mehr geeignete Menschen für erfinderische Leistung auf naturwissenschaftlich-technischem Gebiete hervorbringen können als irgendwo in der Fremde, Menschen, die vom Standpunkte der Nation mit den Hühnern vergleichbar sind, die goldene Eier legen. Wir haben ihrer mehr, nicht weil wir von Hause aus begabter sind als andere, sondern weil wir den Weg, auf dem man die Begabungen entwickelt und nutzbar macht, besser ausgestaltet haben, und weil Charakter und Tradition bei uns dem Erfolge besonderen Vorschub leisten. Wir haben vor den Franzosen das Ausbildungssystem voraus, vor den Engländern den engen Zusammenhang von Hochschulleben und industriellem Betriebe, vor den Amerikanern die Geduld und Nachdenklichkeit, die sich in langfristige Aufgaben vertieft. Aber wir machen uns unseren großen Vorteil selber zuschanden, indem wir die geringen Summen scheuen, die es zur Aufrechterhaltung unserer Leistungen bedarf, und das in einer Zeit, in der die fremden Völker, insbesondere die Amerikaner, keinerlei Summen scheuen, um den Mangel zu bessern, soweit er sich mit Geld bessern läßt. Denn das Wesentlichste bei uns für unsere weitere Entwicklung ist doch die Tatsache, dass eine gewisse mittlere Schicht der Bevölkerung, aus der vorzugsweise die verlangten Begabungen hervorgehen, verarmt ist und nicht mehr die Mittel besitzt, die sie früher hatte, um die Söhne auf das gründlichste ausbilden zu lassen. Was waren die Leute, die früher die Plätze der Fortgeschrittenen in unseren Hochschulanstalten eingenommen haben? Das waren Söhne nicht reicher, aber bemittelter Eltern, die ihr Studium abgeschlossen hatten und das konnten, was man ihnen gelehrt hatte. Diese jungen Leute empfanden das Bedürfnis, noch einige Jahre wissenschaftlich zu arbeiten, ehe sie in das Erwerbsleben eintraten, in dem Gedanken, daß es darauf ankommt, ein selbständiges Können dahin mitzubringen, das sich nicht erwirbt durch mehrjährigen Druck auf die Bänke eines Hörsaals und durch Absolvieren von Übungsaufgaben, mit denen jeder anfangen muß, bei denen aber niemand über das Gesellentum hinaus zur Meisterschaft kommt. Wo sind diese Leute jetzt? Die Väter strengen sich an, und das elterliche Haus schränkt sich ein, damit die jungen Menschen nur eben gerade durch die Studienjahre durchkommen, und dann schreiben sie sich die Finger wund und nehmen den bescheidensten Platz, damit sie ein Leben haben und den Eltern nicht mehr auf der Tasche liegen. Um die wenigen Assistentenstellen ist ein Wettlauf schier wie im Stadion, und wenn die Fachgenossen zusammenkommen, dann ist ihr bevorzugtes Thema, wie bedauerlich es ist, daß man dem und jenem und insgesamt einer großen Menge der besten jungen Kräfte nicht habe ermöglichen können, sich gründlicher fortzubilden, weil kein Geld da war und es nicht erlangt werden konnte. Weil aber das so ist, kann nichts Nützlicheres für die Zukunft geschehen, als daß der Staat eintritt und vorübergehend hilft, daß die begabten und geeigneten Menschen nach ihrem Studium wieder das lernen können, was sie vor dem Kriege gelernt haben, nämlich selbständig wissenschaftlich denken und selbständig wissenschaftlich arbeiten. Das aber verlangt Forschungsstipendien, und ich wüßte nicht, welche nützlichere Ausgabe es gäbe, als einen Fonds für die Forschungsstipendien bei der Notgemeinschaft.
Es gibt Leute, die dieser Art Ausgaben mit Mißtrauen gegenüberstehen, weil das, was aus dem Aufwand herauskommt, nur Menschen sind, die eine bessere Qualifikation haben für die Lebensleistungen, und nicht sichtbare Objekte des Wirtschaftslebens wie etwa eine neue Sorte Flaschenpropfen oder ein neues Düngemittel oder dergleichen mehr. Diese Auffassung aber erscheint mir außerordentlich verkehrt, denn wenn man in der persönlichen Unterhaltung hinter die Anonymität blickt, mit der die wirtschaftlichen Unternehmungen ihre Erfolge bedenken, dann zeigt sich sofort, daß der und jener, der ein Kerl von besonderem Können ist, nach der Überzeugung seines Arbeitgebers die Quelle des Erfolges darstellt. Wenn man aber selbst junge Leute ausbildet in der Art, auf die es hier ankommt, dann erfährt man täglich, welch ein Rennen ist um besondere Kräfte. Alle Unternehmer wehren sich heute mit aufgehobenen Händen dagegen, daß man ihnen die Menschen empfiehlt, die nichts Besonderes können, aber sie reißen sich um die, die selbständiges Können und Urteil haben. Die Menschen sind die Hauptsache und nicht die Flaschenpropfen und die Düngemittel, weil die Menschen die Flaschenpropfen und die Düngemittel hervorbringen und nicht umgekehrt. Es kostet heute mindestens 3000 RM. im Jahre, um einem Menschen zu ermöglichen, daß er nach beendetem Studium sich zu einem selbständigen Können weiterbildet, und wir müssen mindestens 600 solche Stipendien neu schaffen, wenn wir das frühere Können angesichts des privaten Vermögensverfalls aufrechterhalten und an der Stelle vorankommen wollen, wo keine internationale Schwierigkeit für das Vorankommen besteht und alles ausschließlich davon abhängt, daß unsre geistige Leistung hoch ist, nämlich den unsichtbaren Posten der internationalen Wirtschaft, die von den Arbeitsweisen und Erfindungen herkommen, die von uns in die Fremde wandern und uns dort Bestellungen erwerben und Einkünfte, die aus diesen Beteiligungen erwachsen.
Quelle: Haber, 1925: 21f.
Voraussetzung für ein Stipendium war in der Regel die deutsche Staatsbürgerschaft und – ab 1935 – eine abgeschlossene Promotion (zu einer prominenten Ausnahme von dieser Regel vgl. hier). Der Wissenschaftshistoriker Lothar Mertens betont in einer Studie zu dem damaligen Stipendiensystem der DFG, dass es aber auch ganz entscheidend gewesen sei, wo das Stipendium absolviert werden sollte bzw. „bei wem“: War der entsprechende Wissenschaftler eine Koryphäe seines Fachs, war dies ein wichtiger Erfolgsfaktor (vgl. Mertens, 2004: 146).
Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, weist GEPRIS Historisch bei Stipendienanträgen in der Regel (abhängig von der Quellenlage) zwei Namen aus, nämlich den der Person des Geförderten („Stipendiat/-in“) sowie des den Antrag (befürwortend) einreichenden Professors („Antragsteller“).
Wie schon für die Beschaffung von Auslandsliteratur wurde auch für Geräte ein eigenes Gremium, der sogenannte Apparate- und Materialausschuss, eingerichtet. Dieser setzte von Beginn an auf die zentrale Bündelung von Bestellungen, da so erhebliche Preisnachlässe erzielt werden konnten. Die für die jeweiligen Untersuchungen benötigten Apparate wurden von der Notgemeinschaft nach den Vorstellungen des Forschers angeschafft, der um Geräte oder Materialien bat. Anschließend wurden sie inventarisiert und dem antragstellenden Wissenschaftler für seine Untersuchungen leihweise zur Verfügung gestellt. Die Geräte blieben Eigentum der Notgemeinschaft. Bis 1928 war so bereits ein Apparatebestand entstanden, der etwa 8.000 Geräte umfasste (vgl. Flachowsky, 2008: 73). Darunter befanden sich auch mehrere wie hier abgebildete „Quarzspektrographen“ – GEPRIS Historisch verzeichnet insgesamt 34 Geräte-Bewilligungen, in denen ein solches Gerät, das zur Aufnahme von Spektren eingesetzt wird, aus dem Bestand der DFG leihweise zur Verfügung gestellt wurde.
Ein Quarzspektograph – ein damals häufig nachgefragtes Gerät.
Quelle: Museum der Universität Tübingen , Fotograf: Valentin Markwardt.
Von großer wirtschaftlicher Bedeutung war mit Blick auf Geräte auch die Arbeit des Ausschusses für Werkzeugmaschinen. Der erste Jahresbericht der Notgemeinschaft hebt hervor: „Ein besonderes Tätigkeitsgebiet bildete die Beschaffung von Werkzeugmaschinen, da bei einer besseren Ausstattung der Laboratorien mit Werkzeugmaschinen, durch Selbstanfertigung von Apparaturen große Mittel erspart werden können“ (Notgemeinschaft 1922:11).
Vor dem Hintergrund knapper Mittel und der zunächst zwangsläufig vorherrschenden Fokussierung auf die Gewährung von Druckzuschüssen ist nachvollziehbar, dass die Bereitstellung von Mitteln für meist teure Geräte mit einem gewissen Rechtfertigungsdruck verbunden war. Im ersten Jahresbericht der Notgemeinschaft, der einleitend ausführt, dass Geräte vor allem in den „exakten Grundwissenschaften: Physik, Chemie und Mineralogie“ benötigt werden, wird etwa mit Blick auf den Bedarf der Physik wie in der nebenstehenden Infobox argumentiert:
Zur Kennzeichnung des Wesens der neuzeitlichen physikalischen Forschungsmethoden möge der Hinweis dienen, daß sie im Zeichen einer fortschreitenden Technisierung stehen in dem Sinne, daß die verfeinerten und schwierigeren Aufgaben der neueren Physik immer stärkere Hilfsmittel, vor allem maschinentechnischer Natur, erforderlich machen. Während man zu Oersteds und Faradays Zeiten mit einem Daniell-Element, einem Kupferdraht und einer Magnetnadel die aufsehenerregendsten Entdeckungen machte, bedarf der moderne Forscher großer Batterien oder Maschinen als Hochspannungserzeuger für die Gasentladungen, die er seinen Beobachtungen unterzieht. Eine derartige Anlage muß heute mit 300.000 Papiermark bezahlt werden. Eine Röntgenanlage, wie sie zur Erforschung des Wesens feinbaulicher Strukturen in neuerer Zeit unumgänglich notwendig geworden ist, kostet mindestens 250.000 Papiermark. Ein Quarzprismenspektrograph zur Untersuchung der ultravioletten Teile des Spektrums verursacht heute eine Ausgabe von 250.000 M. Ein gutes Mikroskop, welches in früherer Zeit für 1.500 Goldmark zu haben war, muß heute mit 60.000 M. bezahlt werden.
Quelle: Notgemeinschaft 1922: 16.
Während der Jahre der Inflation verhindert diese zunächst weitgehend die Finanzierung von Forschungsreisen. Der erste Jahresbericht der Notgemeinschaft hält hierzu fest: „Ebenso hat die Notgemeinschaft auch nur in einigen Ausnahmefällen Unterstützungen für Reisen in das valutastarke Ausland bereitgestellt, und zwar stets unter dem Gesichtspunkt, daß dadurch bereits begonnene und zum großen Teil durchgeführte Forschungen ihrem Abschluß zugeführt werden sollten. Im übrigen wurden kleinere Beträge zu Forschungsreisen in Deutschland gewährt, hauptsächlich an Geographen, um überhaupt die Fortführung geographischer Arbeiten zu ermöglichen und die vielfach zurückgebliebene Erforschung des eigenen Landes zu fördern“ (Notgemeinschaft 1922: 15).
Erst mit dem vierten Jahresbericht, der das Berichtsjahr 1924/25 abbildet, werden die Förderaktivitäten mit Bezug auf Forschungsreisen in einem eigenen Kapitel gewürdigt. Waren im Jahr zuvor noch 42 Anträge auf Reiseunterstützung bewilligt worden, stieg die Zahl im genannten Berichtsjahr auf 142 Bewilligungen an (vgl. Notgemeinschaft 1925: 85). Eine dort veröffentlichte statistische Betrachtung ergibt, dass die Hauptzahl der Anträge auf die Fachausschüsse für Biologie, Kunstwissenschaften, Geographie, neuere Philologie, alte und orientalische Philologie, Geschichte, Geologie und Mineralogie entfällt, „Wissenschaftsgebiete, für die eine unmittelbare Orientierung und genaueste Fühlungnahme mit dem Material eine unbedingte Notwendigkeit ist“ (Notgemeinschaft 1925: 86).
Weil das Geld nach wie vor knapp war, galten für die Bewilligung von Forschungsreisen strenge Regeln, wie der in folgender Infobox zitierte Text vermittelt.
1. Die Mittel der Notgemeinschaft sind nur für eigentliche Forschungsreisen bestimmt, d.h.
für die Lösung einer wissenschaftlich wichtigen Forschungsaufgabe, zu deren erfolgreicher
Durchführung ein Aufenthalt in dem betreffenden Lande erforderlich ist und für deren
sachgemäße
Bearbeitung nach Ansicht des Fach- und Hauptausschusses die Persönlichkeit des
Antragstellers
Gewähr bietet.
2. Für den Besuch von wissenschaftlichen Tagungen, Ausstellungen und Kongressen und für
anschließende Orientierungsreisen stehen Mittel grundsätzlich nicht zur Verfügung. Sollte,
was nur ganz ausnahmsweise der Fall sein wird, eine wichtige Forschungsreise im Anschluß an
eine derartige Veranstaltung unternommen werden, so kann für deren Durchführung eine
Beihilfe
nur unter der Bedingung gewährt werden, daß sie nicht zur Entlastung der durch die Teilnahme
entstehenden Kosten dient, sondern lediglich für die beabsichtigte Forschung Verwendung
findet.
3. Studienreisen, die in der Hauptsache der persönlichen Ausbildung dienen oder eine für
Zwecke des Unterrichts und der wissenschaftlichen Forschung im allgemeinen wünschenswerte
Anschauung von Land und Leuten vermitteln sollen, fallen aus dem Rahmen der Notgemeinschaft.
Das gleiche gilt im allgemeinen für Reisen, die mit dem augenblicklichen Stand der Forschung
eines bestimmten Wissenschaftszweiges im Auslande vertraut machen sollen. Ausnahmen werden
nur dann erfolgen können, wenn es sich, die Eignung der Forscherpersönlichkeit
vorausgesetzt,
um ein besonders wichtiges Gebiet handelt, für das nach Ansicht des Fach- und
Hauptausschusses
die Kenntnis der Arbeitsmethoden des betreffenden Auslands eine unerläßliche Grundlage
eigener
erfolgreicher Weiterarbeit bildet.
4. Für Dissertationen sind Reiseunterstützungen ausgeschlossen.
5. Nachträgliche Bewilligungen für schon durchgeführte Reisen verbieten sich von selbst. Bei
der Beschleunigung, mit der die Notgemeinschaft die einlaufenden Anträge zu erledigen bemüht
ist, empfiehlt es sich unbedingt, die Entscheidung der Notgemeinschaft abzuwarten.
Quelle: Notgemeinschaft 1925: 86f.
Terrassengesellschaft deutscher Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker im Palazzo Zuccari, Rom, Mai 1931.
Quelle: Digiporta, Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv.
Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre wurden Forschungsreisen dann zunehmend zu einem selbstverständlichen Teil des Förderportfolios. Nicht zuletzt in den Geisteswissenschaften und hier vor allem durch Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker wurde das Instrument gerne genutzt, um Reisen zu den Stätten der Kunst zu finanzieren.
Im Jahresbericht für das Geschäftsjahr 1925/26 wird die sogenannte Experimentalforschung erstmals in einem eigenen Abschnitt thematisiert. Die folgende Infobox zitiert den Jahresbericht mit einer Erklärung, warum es eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, bis dieses Instrument tatsächlich zum Tragen kam.
Nach den Kriegsjahren entmutigt, leidend unter dem Mangel an geeigneten jungen Mitarbeitern, absorbiert durch die starke Belastung in der Lehrtätigkeit, die sich bei den eingeschobenen Zwischensemestern über das ganze Jahr erstreckte, so daß auch die Ferien nicht zur eigenen Arbeit zur Verfügung standen, fanden sich zunächst für wissenschaftliche Arbeiten nur wenige Antragsteller ein. Diesen wenigen konnte in der beginnenden und auslaufenden Inflationszeit, wo Apparate und Materialien, am Goldeswert gemessen, wohlfeil waren, mit verhältnismäßig geringen Mitteln geholfen werden. Im Laufe der Jahre aber änderten sich die Verhältnisse, die Forschung kam wieder mehr zu ihrem Recht, da sich der Mut zur Forschung neu belebte, zumal auch die Notgemeinschaft im Verein mit dem Japan-Ausschuß und dem Elektrophysik-Ausschuß jungen Forschern die Lebenshaltung ermöglichen konnte. Nun machte sich aber der Mangel an Apparaten und Materialien für die experimentelle Forschung immer stärker bemerkbar, da die Etats der Institute diese nicht aufzubringen vermochten. Die Anträge an die Notgemeinschaft mehren sich, und die Anforderungen werden größer. Bestärkt in dem Forscherwillen durch die Aussicht, die erforderlichen Mittel für besondere Forschungen durch die Notgemeinschaft erhalten zu können, werden weitergehende und umfassendere Forschungsaufgaben in Angriff genommen. Will der Forscher aber tiefer schürfen, so genügen nicht mehr die einfachen Apparate früherer Zeiten, auch ist die Bedienung der immer komplizierter werdenden Apparaturen und Versuchsanordnungen und die Erledigung der zeitraubenden Beobachtungen vielfach nicht mehr durch ihn allein angängig, und für viele Experimente sind große Mengen von teuren Versuchstieren erforderlich. Daher mehren sich in den folgenden Jahren die Anträge auf wertvolle Apparate, auf Beihilfen für die Annahme von Hilfskräften, für Ausgangschemikalien, Materialien und Versuchstiere.
Quelle: Notgemeinschaft 1926: 75f.
Hieß es im vierten Jahresbericht (1924/25) unter der Überschrift
„Forschungsbeihilfen“ noch, dass die dort aufgelisteten Maßnahmen „für Vorarbeiten zur
Herausgabe von Werken bzw. für Fertigstellung der Manuskripte“
mit Zuschüssen unterstützt wurden, und so
quasi dem Primat der Drucklegung folgten, etablierte sich nun die Förderung von tatsächlichen
Forschungsvorhaben als eigentliches Kernelement des DFG-Förderhandelns. Und anders, als es der
Begriff „Experimentalforschung“ nahelegt, wurde das Instrument auch von Angehörigen geistes-
und sozialwissenschaftlicher Fächer genutzt – wenn auch zunächst in kleinerer Zahl. Zu den drei
Anträgen im Fachausschuss Kunstwissenschaft gehörte beispielsweise eine Studie zur „Aufnahme
zur niedersächsischen Kunst des Mittelalters in der Umgebung Hannovers“ .
Der Begriff der „Sachbeihilfe“ kam dann allerdings tatsächlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf.
Bereits im ersten Jahresbericht 1949/50 heißt es diesbezüglich: „Die Notgemeinschaft gibt grundsätzlich
– mit Ausnahme der Stipendien für Nachwuchskräfte – keine Beihilfen zum persönlichen
Lebensunterhalt,
sondern gewährt sachliche Unterstützung. Diese kann bestehen in Sachbeihilfen (z. B. Apparate,
Materialien, Chemikalien, Geldmittel für die Beschäftigung wissenschaftlicher oder technischer
Hilfskräfte), in Reisebeihilfen und in Druckbeihilfen zur Publikation der Ergebnisse der
Forschung.
Die Notgemeinschaft beschafft ferner ausländische wissenschaftliche Literatur für die Hochschul-
und großen Staatsbibliotheken“ (Notgemeinschaft 1950: 10f.).
In GEPRIS Historisch wird das Instrument dieser späteren Konvention entsprechend durchgehend als „Sachbeihilfe“ bezeichnet.
Mit der weitgehenden Übernahme des Fördergeschäfts der DFG durch den Reichsforschungsrat (RFR) wurde das System der Fachausschüsse im Jahr 1937 aufgelöst. An seine Stelle traten Fachsparten und vom RFR eingesetzte Fachspartenleiter, die in Personalunion Anträge begutachteten und entschieden oder sogar selbst initiierten. Den Mitarbeitenden der DFG-Geschäftsstelle wurde noch die Bearbeitung von Anträgen in den als nachrangig betrachteten Geisteswissenschaften überlassen, die Fachspartenleiter übernahmen das Geschäft auf technik- und naturwissenschaftlichem Gebiet.
Eine besondere Rolle kam hierbei dem in den 40er-Jahren neu eingeführten Instrument des Forschungsauftrags zu, das vor allem in den letzten Kriegsjahren bestimmend wurde. Forschungsaufträge und hierbei insbesondere auch die an diese Aufträge gekoppelten Dringlichkeitsstufen waren nämlich Voraussetzung dafür, Zugang zu Geräten und häufig kontingentierten Materialien zu bekommen. Von Bedeutung war das Verfahren aber auch und insbesondere mit Blick auf die wissenschaftliche Belegschaft des jeweiligen Instituts: Nur mit einem Forschungsauftrag und einer einschlägigen Dringlichkeitsstufe war es möglich, für einzelne Mitarbeiter Freistellungen vom Kriegsdienst zu erwirken (sogenannte UK-Stellungen) und sie so quasi an der „Heimatfront“ für kriegswichtige Forschungsarbeiten einzusetzen. Sofern neben Zugang zu Material und Freistellung von Mitarbeitern weitere Sachmittel benötigt wurden, mussten diese (wie bisher) über eine eigene Sachbeihilfe beantragt werden.
Das System der Dringlichkeitsstufen galt für die Wissenschaft, aber auch für die Wirtschaft. Wie Sören Flachowsky 2003 (14ff.) und 2008 (400ff.) herausarbeitete, hatte sich mit dem Beginn des Krieges ein immer komplizierter werdendes System der Dringlichkeitseinstufungen für die Rohstoff- und Materialverteilung entwickelt. Zu den Stufen „S“ und „SS“ für „vordringliche Fertigungen“ kam eine diese überragende Stufe „DE“ (dringende Entwicklung) hinzu, die nur für „Entwicklungen oder für anlaufende Serien ganz besonders vordringlicher Fertigungen mit beschränkter Stückzahl oder für einmalige Aufträge auf allerschnellstens zu beschaffende Geräte infrage“ kam. Die Vergabe der „Sonderstufe DE“ erfolgte persönlich durch Albert Speer, seit 1942 Reichsminister für Bewaffnung und Munition. Mit den letzten Kriegsjahren uferte das System von Dringlichkeiten stetig aus und wurde der jeweiligen Lage angepasst. Am Ende stand ein Wust von Anordnungen. Ohne eine offizielle Dringlichkeitsbezeichnung konnte überhaupt kein Auftrag mehr untergebracht werden. Das System endete mit dem am 23. Januar 1945 durch Adolf Hitler verfügten „Führer- oder Rüstungsnotprogramm“ , das zur anschließenden Aufhebung aller Dringlichkeitsstufen führte. Ab sofort war nur noch „kriegsentscheidende“ Forschung förderwürdig.
GEPRIS Historisch weist die an Forschungsaufträge gekoppelten Dringlichkeitsstufen fallbezogen aus. Sofern anhand der Unterlagen festgestellt werden konnte, dass eine oder mehrere Sachbeihilfen und ein Forschungsauftrag sich auf das selbe Vorhaben beziehen, werden diese im System zusammengehörend dargestellt.
Eine Lesehilfe zu diesen Stufen sowie weitere Hinweise zu deren Entwicklung bieten der hier verlinkte, von Sören Flachowsky verfasste Abschlussbericht zum Projekt „Wissenschaftliche Erschließung des DFG-Aktenbestandes im Bundesarchiv (Berlin/Koblenz)“ , S. 13ff. sowie die vom gleichen Autor 2008 veröffentlichte Studie (vgl. Literaturverzeichnis am Ende des Textes).
Abschließend verdienen noch einige wenige Sonderfälle Beachtung, die sich auf geförderte Infrastrukturen beziehen. Bereits in den 1920er-Jahren förderte die DFG das Forschungsschiff „Meteor“ (für das auch heute noch ein Nachfolgeschiff gleichen Namens von der DFG als sogenannte Hilfseinrichtung gefördert wird). Es kam unter anderem im Rahmen von zwei atlantischen Expeditionen zum Einsatz. Seinerzeit wurde noch nicht so scharf zwischen Einzelvorhaben unter Nutzung des Forschungsschiffs und Betrieb desselben unterschieden. In den Daten von GEPRIS Historisch findet sich daher ein gewisser „Mix“ der beiden Förderformate. In der Regel werden von der DFG finanzierte Infrastrukturen dabei in der Form abgebildet, dass sie als Untereinheit von „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ oder „Reichsforschungsrat“ geführt werden.
Neben dem besonders prominenten Beispiel des Forschungsschiffes finden sich hier noch:
Von eher anekdotischer Natur ist, dass sich unter den Bewilligungen an die Institution DFG selbst auch der Fall eines Mitarbeiters der DFG-Geschäftsstelle, zuständig für das „Referat für volkskundliche Fragen“ findet. Er erhielt in Form eines Stipendiums Mittel für eine Studie zu bodenständigen Brettspielen. Die Mittel wurden offensichtlich „unbürokratisch“ einer Sachbeihilfe entnommen, die an die „Mittelstelle für Spieleforschung“ erfolgt war.
Flachowsky, Sören, 2008: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart.
Flachowsky, Sören, 2013: Forschergruppe zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920 – 1970, Wissenschaftliche Erschließung des DFG-Aktenbestandes im Bundesarchiv (Berlin/ Koblenz), Abschlussbericht.
Haber, Fritz, 1925: Anlage zur vorstehenden Denkschrift [von Friedrich Schmidt-Ott]. In: Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (Deutsche Forschungsgemeinschaft), Heft 2: 20 – 24.
Mertens, Lothar, 2002: Einige Anmerkungen zur NS-Wissenschafts- und Forschungspolitik. In:
Rüdiger vom Bruch, Brigitte Kaderas (Hrsg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik.
Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des
20. Jahrhunderts,
Stuttgart: 225 – 240.
Mertens, Lothar, 2004: „Nur politisch Würdige“. Die DFG-Forschungsförderung im Dritten Reich 1933 – 1937, Berlin.
Moser, Gabriele, 2011: Deutsche Forschungsgemeinschaft und Krebsforschung 1920–1970. Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Stuttgart.
Notgemeinschaft 1922: Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit bis zum 31. März 1922, Berlin.
Notgemeinschaft 1925: Vierter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1924 bis zum 31. März 1925, Berlin.
Notgemeinschaft 1926: Fünfter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1925 bis zum 31. März 1926, Berlin.
Notgemeinschaft 1928: Deutsche Forschung. Aus der Arbeit der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, Heft 4: Geophysik und Aerologie, Berlin.
Notgemeinschaft 1950: Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. März 1949 bis zum 31. März 1950, Bad Godesberg.
Schmoll, Friedemann, 2009: Die Vermessung der Kultur. Der „Atlas der Deutschen Volkskunde“ und die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1928 – 1980 (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 5), Stuttgart.