Sondermittel – mehr als nur ein Notgroschen

Wie auf der Themenseite zur Bugdetentwicklung ausgeführt, stand die Leitung der Notgemeinschaft bezüglich ihrer Budgetplanung immer wieder vor großen Herausforderungen, seien es die Zwänge, die sich aus der Hyperinflation ergaben, die Einschnitte im Rahmen der Weltwirtschaftskrise oder schließlich auch die Budgetkürzungen, die sich aus wissenschaftspolitisch motivierten Spannungslagen ableiteten. Vor allem in den Aufbaujahren war es für die Notgemeinschaft mehr als nur ein Notgroschen, dass sie neben den durch das Reich bereitgestellten Mitteln auch aus privaten Quellen Unterstützung fand – in Form von Sach- und Geldspenden aus dem In- wie aus dem Ausland.

In GEPRIS Historisch finden sich quellenbedingt bei nur sehr wenigen Anträgen Hinweise auf eine Finanzierung aus sogenannten Sondermitteln. Die entsprechend gekennzeichneten Anträge dienen also allenfalls der „Spurensuche“, sind aber sicher weder vollständig noch repräsentativ. Die folgenden Ausführungen beschreiben einige der wichtigsten Sondermittelgeber, die solche Spuren hinterlassen haben.

Der Stifterverband bündelt früh Unterstützungsleistungen der Wirtschaft

Einer der Hauptspender war der dezidiert zur Unterstützung der Notgemeinschaft gegründete Stifterverband der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft (später: Stifterverband der deutschen Wissenschaft, SV). Sein Gründungsziel war, wie es Friedrich Schmidt-Ott, der erste Präsident der Notgemeinschaft formulierte, „der durch Menschenverlust und Inflation wie durch die Verödung der Institute und Mutlosigkeit schwer geschädigten Wissenschaft zu neuem Leben zu verhelfen.“ Dafür sollte „jeder Groschen verwendet werden, den man übrig habe“, warb der Chemiker und Industrielle Carl Duisberg, Vorstandsvorsitzender der Leverkusener Farbenfabriken und Gründer der I. G. Farben sowie SV-Mitbegründer, für die Idee: „Es ist das bestangelegte Kapital, das wir besitzen.“

Im Herbst 1920 riefen führende Wissenschaftler und Industrielle gemeinsam die Notgemeinschaft für die deutsche Wissenschaft zusammen und gründeten Ende des Jahres auch den Stifterverband. Aufgabe der Notgemeinschaft sollte es sein, die Interessen der Wissenschaft zu bündeln und gegenüber den Ländern und dem Reich zu vertreten. Der Stifterverband konzentrierte sich auf Industriekreise, den Handel und Banken, um dort Geld für wissenschaftliche Zwecke einzuwerben.

Sieben Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, die den Stifterverband mitgegründet hatten, starteten zunächst einen großen Spendenaufruf „an alle deutschen Landwirte, Kaufleute, Gewerbetreibenden und Industriellen.“   Der Aufruf brachte bis Ende 1921 75 Millionen Mark ein, die der Stifterverband fortan verwaltete. Die Spendenmillionen blieben zunächst als Grundstock unangetastet. Lediglich die Erträge dieses „Spendentopfs“ verteilte der Stifterverband ab 1922.

In jenem Jahr überwies er 2,4 Millionen Mark an die Notgemeinschaft. Eine Hälfte davon war speziell für die Technischen Hochschulen bestimmt, damit sie endlich dringend benötigte Fachliteratur besorgen konnten. Die andere Hälfte floss in Forschungsstipendien, um Nachwuchswissenschaftlern aus verschiedenen Wissensgebieten die Habilitation zu ermöglichen. 1923 und 1924 gab es inflationsbedingt nur niedrige Zuschüsse. 1925 fand dann ein zweiter Aufruf statt, weil die Spendenbereitschaft eingeschlafen war. Man warnte: „Bei der Verarmung des Mittelstandes ist der Nachwuchs einer neuen Generation wissenschaftlicher Forscher aufs Schwerste bedroht.“   Um dieses Problem zu lindern, bewilligte der Stifterverband umgehend für 100.000 Goldmark Forschungsstipendien – ein Stiftungsschwerpunkt, den der Verband bis in den Zweiten Weltkrieg hinein beibehielt. Förderung bekamen aber beispielsweise auch drei prestigeträchtige Expeditionen zur Vermessung des Südatlantiks, zur Erforschung eines Hochgebirges in Zentralasien und nach Grönland (Stifterverband, 2020).

Neben dem Stifterverband engagierten sich weitere nationale Einzelförderer und Organisationen für die Notgemeinschaft. So verweist der erste Jahresbericht auf 4,6 Millionen Mark an Spenden „aus deutschen Kreisen“ , darunter 3 Millionen Mark, die der Buchhändler-Börsen-Verein für die Förderung der deutschen Bibliotheken stiftete (Notgemeinschaft, 1922: 9).

In den Gründungsjahren erfuhr die Notgemeinschaft von internationalen Spendern große Unterstützung

Aus heutiger Sicht beachtenswert erscheint, dass die Notgemeinschaft auch im Ausland großzügige Förderer fand. Der erste Jahresbericht würdigt dies in einem eigenen Kapitel „Auslandsbeziehungen der Notgemeinschaft“. Hervorgehoben werden hier zunächst die Beiträge von Organisationen aus Nordamerika. Einzeln aufgeführt werden das „Central Relief-Committee“, dessen Präsident die Notgemeinschaft mit einer (nicht bezifferten) persönlichen Spende unterstützte, die aber auch als Organisation immerhin mehr als 1 Million Reichsmark überwies. Speziell auf die Notsituation in Deutschland und Österreich war auch die Organisation „Emergency Society for German and Austrian Science and Art“ ausgerichtet, die in der Berichtsperiode 1921/22 annähernd 1,7 Millionen Reichsmark bereitstellte und auch in den Folgejahren (bis 1926) weitere Dollar-Spenden (für das Geschäftsjahr 1923/24 sind 10.000 Dollar dokumentiert, Notgemeinschaft 1924: 58) übersandte. Weitere Spenden aus Südamerika, namentlich aus Argentinien und Brasilien, finden Erwähnung, über die Schweiz wird berichtet, dass dort „auf Veranlassung der Rektoren der Universitäten Basel, Bern und Zürich und der Technischen Hochschule sowie des Direktors der Zentralbibliothek“ eine Sammlung unter ehemaligen Studierenden immerhin gut 100.000 Mark erbrachte, von denen ein Teilbetrag von 15.000 Mark an die österreichische Notgemeinschaft abgeführt wurde (vgl. Notgemeinschaft 1922: 30).

BILD: BILD: Ausschnitt aus Zusammenstellung der nicht aus Reichsmitteln gewährten Zuschüssen
                                 für die Notgemeinschaft im Kalenderjahr 1923.

Ausschnitt aus: Zusammenstellung der nicht aus Reichsmitteln gewährten Zuschüsse für die Notgemeinschaft im Kalenderjahre 1923.
Vollansicht hier.

Quelle: DFG-Archiv.

Im zwölften und letzten Jahresbericht der Notgemeinschaft wird auf eine Spende der Schweizer Firma Hoffmann-La Roche verwiesen, die erhebliche Summe von 150.000 RM sollte gezielt für „Unterstützungen auf dem Gebiet der Pharmakologie“ eingesetzt werden (Notgemeinschaft 1933: 102).

Die folgende Abbildung dokumentiert, wie über die 1923 eingegangenen Zuschüsse gewissenhaft Buch geführt wurde. Aus heutiger Sicht besonders beeindruckend erreichten die Notgemeinschaft auch Sachspenden, etwa in Form von 400 Zentnern Weizenmehl oder in Gestalt von 36 Affen aus Niederländisch-Indien.

Die folgenden Kurzporträts heben eine Auswahl besonders prägender Stiftungen hervor.

Der Chemie-Fonds des japanischen Unternehmers Hajimi Hoshi

Hohen Stellenwert genoss ein Fonds, der aus Mitteln des japanischen Großindustriellen Hajimi Hoshi eingerichtet wurde. Der Jahresbericht 1922/23 hält fest, dass sich der Spender „bereits einmal durch die Schenkung von 2 Millionen Mark für chemische Forscher verdient gemacht hat. Nunmehr hat Hoshi auf zwei bis drei Jahre einen monatlichen Betrag von 2000 Yen in Aussicht gestellt, die zur Förderung großer chemischer Aufgaben Verwendung finden sollen und von einem besonderen Japan-Ausschuss der Notgemeinschaft verwaltet werden. Die Verteilung der Gelder der Rückvergütungskasse für die deutsche Presse, des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler und des Japan-Ausschusses erfolgt im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Notgemeinschaft und bedeutet eine fühlbare Entlastung der sonstigen Mittel der Notgemeinschaft auf einzelnen Sondergebieten“ (Notgemeinschaft 1923: 5).

BILD: Hajimi Hoshi.

Der Stifter des Chemie-Fonds Hajimi Hoshi.

Quelle: Photo by Alfred Eisenstaedt, The LIFE Picture Collection via Getty Images.

Die von Hoshi bereitgestellten Mittel wurden über einen eigenen, prominent besetzten „Japan-Chemie-Ausschuss“ verwaltet, der wissenschaftlich mit mehreren Nobelpreisträgern hochkarätig besetzt war: Als Vorsitzender war Fritz Haber tätig, vertreten durch Richard Willstätter. Satzungsmäßige Mitglieder waren weiterhin Max Planck, Rudolf Schenck und Otto Hahn. Vonseiten der Behörden waren weiterhin Vertreter des Reichsinnenministeriums, des Auswärtigen Amts sowie des preußischen Kultusministeriums an den Beratungen des Ausschusses beteiligt (Szöllosi-Janze, 1998: 564).

Beachtenswert an den Hoshi-Mitteln war, dass deren Einwerbung betont mit sehr geringem Antragsaufwand verbunden war – sofern es sich bei der antragstellenden Person um einen „angesehenen Fachgenossen“ handelte. Die folgende Infobox zitiert aus den Förderrichtlinien des Sonderprogramms.

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Quelle: Notgemeinschaft 1923: 33f.

Der Elektrophysik-Fonds

Ebenfalls maßgeblich auf Zuwendungen aus dem Ausland fußte der Elektrophysik-Fonds. Der Jahresbericht der Notgemeinschaft hält 1924 hierzu fest: „Der Elektrophysik-Ausschuß der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft verdankt sein Dasein einer hochherzigen Spende von 12 500 Dollar der General Electric Company in Schenectady (im Staate New York der Vereinigten Staaten von Nordamerika), der sich dann die Siemens & Halske A.-G. in Berlin und die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin mit je 1 250 Dollar anschlossen. Die der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft zur Verfügung gestellten 15 000 Dollar sollten zur Unterstützung von Forschungen, und zwar vorzugsweise experimentellen Forschungen auf dem Gebiete der Elektrophysik verwendet werden“ (Notgemeinschaft 1924: 35).

Auch hier waren es prominente Wissenschaftler, die über die Verteilung des Fonds wachten: Max Planck (Vorsitz), Max von Laue (stv. Vorsitz), James Franck, Fritz Haber, Walther Nernst und Max Wien waren Mitglieder, Vertreter der drei Stifterfirmen waren dazu eingeladen, mit beratender Stimme an den Sitzungen des Ausschusses teilzunehmen (Notgemeinschaft, 1924: 35).

In den Richtlinien des Programms war unter anderem festgehalten, dass die bereitgestellten Mittel „zur Anschaffung von Apparaten und Materialien (nicht aber von Büchern)“ einsetzbar waren. Ähnlich zum Japan-Fonds galt es auch hier, das Programm möglichst frei von bürokratischen Hürden zu gestalten: „Eine Rechenschaft über die verwendeten Mittel verlangt der Elektrophysik-Ausschuß nicht. Als Zeugnis sachgemäßer Verwendung der bewilligten Mittel gilt die geleistete wissenschaftliche Arbeit“ (Notgemeinschaft 1924: 35).

Möglicherweise einem besonderen Wunsch der amerikanischen Geldgeber geschuldet war eine direkt anschließend formulierte Regel, die heute als sogenannten Funding Acknowledgement (wofür es im Deutschen tatsächlich keine wirklich passende Übersetzung gibt) bei fast allen Forschungsförderern weltweit Usus ist: „Die Arbeit soll bei ihrer Veröffentlichung kurz darauf hinweisen, daß sie mit den Mitteln des Elektrophysik-Ausschusses der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ausgeführt worden ist“ (Notgemeinschaft 1924: 36). Ein Beispiel bietet die nebenstehende Abbildung.

Während im Weiteren ausgeführt wird, dass die eingehenden Anträge durch den Ausschuss eine „strenge Prüfung“ erfahren, überrascht wenige Zeilen später doch die dokumentierte Erfolgsquote: Im ersten Jahr des Elektrophysik-Ausschusses kamen 75 Anträge zur Entscheidung. 70 davon erhielten eine Bewilligung (Notgemeinschaft, 1924: 36).

Rockefeller Foundation und Laura Spelman Rockefeller Memorial Fund

Als dritten großen internationalen Spender hebt der Jahresbericht 1924 schließlich die auch heute noch aktive Rockefeller Foundation hervor, die im Berichtsjahr 10.000 Dollar für medizinische Forschung sowie – unter Ägide der Laura Rockefeller Foundation – weitere 4 000 Dollar für allgemeine amerikanische Literatur bereitstellte (Notgemeinschaft, 1924: 58).

Mit dem ersten Fonds, der von 1923 bis 1926 auf 20.000 Dollar pro Jahr anstieg, wurden insbesondere Ausbildungsstipendien für Mediziner (sogenannte resident fellowships) finanziert, genau gesagt von jungen Medizinern, „deren Lehrer die Überzeugung gewonnen haben, daß sie für wissenschaftliche Arbeit bzw. Lehrtätigkeit besonders geeignet sind, die aber erst kurze Zeit im Besitz der Approbation sind und noch keine Gelegenheit gehabt haben, eine vollbezahlte Stelle an einer Universitätsanstalt zu erlangen“ (Notgemeinschaft 1926: 126).

Der zitierte Jahresbericht hält weiterhin fest, dass die Notgemeinschaft auf Wunsch der Foundation „in eine andere unerwartete Verbindung getreten“ sei: Waren die „resident fellowships“ bis dahin direkt von einem Pariser Büro der Stiftung administriert worden, sollte die Geschäftsführung für die inländischen Fortbildungsbeihilfen nun direkt durch die Notgemeinschaft erfolgen. Verbunden war der Wunsch mit einer Aufstockung des Budgets auf nun 30.000 Dollar (Notgemeinschaft, 1926: 126f).

BILD: Laura Spelman Rockefeller

Laura Spelman Rockefeller als Namenspatronin.

Quelle: Wikipedia, Public Domain.

Die Literaturstiftung war vor allem darauf ausgerichtet, die Zeitschriftenbestände deutscher Universitäten auf dem Gebiet der Medizin im Sinne einer „Lückenergänzung“  für die Kriegs- und Nachkriegsjahre aufzustocken (Notgemeinschaft, 1925: 10f.). Um möglichst vielen Wissenschaftlern trotz knapper Bibliotheksmittel Zugang zu internationaler Literatur zu ermöglichen, wurden aus den Mitteln vier sogenannte Rockefeller-Lesezirkel der Notgemeinschaft eingerichtet, wobei die „Lesezirkelmappen teilweise an einer Zentralstelle (...) ausliegen oder durch die Verteilung der Mappen auf besondere Fächer und die Organisation kleinerer Lesezirkel innerhalb der Universitätsstadt fruchtbringend gemacht“ wurden (Notgemeinschaft 1926: 24).

1929 wurde der Laura Spelman Memorial Fund neu organisiert und in die Rockefeller Foundation eingegliedert. Die letzte Spende der Foundation in Höhe von 56.700 RM ist im zwölften und letzten Jahresbericht der Notgemeinschaft von 1933 dokumentiert (Notgemeinschaft 1933: 102), in den Daten finden sich noch einzelne Förderungen bis ins Jahr 1935.

Notprogramme der 30-er Jahre

Als die Notgemeinschaft zu Beginn der 30-er Jahre mit einem Rückgang der durch das Reich bereitgestellten Mittel zu kämpfen hatte (den hier verlinkten Text), war jeder zusätzliche Mitteltopf willkommen. So nahm die DFG im Haushaltsjahr 1933/34 in Absprache mit dem Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsbeschaffung und Arbeitsvermittlung, Friedrich Syrup, die „Durchführung einer Hilfsmassnahme für Akademiker aller Fakultäten“ versuchsweise auf. Das Volumen der Maßnahme belief sich auf 500.000 RM. Mit dieser „Wissenschaftlichen Akademikerhilfe“ wurde angestrebt, erwerbslosen Akademikern die Gelegenheit zu wissenschaftlicher Arbeit zu geben (Flachowsky, 2008: 107). Drastisch umschreibt Kurt Zierold den Zweck dieser Sondermaßnahme, „aus der erwerbslose Akademiker Minimalbeträge bekamen, die sie vor dem Verhungern retten sollten [...]. Die jämmerliche Vergütung betrug im Durchschnitt 3 RM für den Arbeitstag, das lag unter dem Existenzminimum“ (Zierold, 1968: 180). 1935 wurden noch einmal 300.000 RM bewilligt, danach lief die Aktion aus (Zierold, 1968: 181).

Für die Jahre 1937 bis 1944 ist ein Posten „Volksdeutsche Wissenschaftshilfe (VDW)“ dokumentiert, der für die Geisteswissenschaften reserviert war (Flachowsky, 2008: 309 und 380ff.). Viele der in GEPRIS Historisch auf eine entsprechende Finanzierung verweisenden Anträge weisen einen Bezug zu den unter Leitung von Konrad Meyer durchgeführten Arbeiten „für die Festigung deutschen Volkstums“ auf.

Auf die Linderung einer sehr speziellen „Not“ war schließlich die im Folgenden etwas ausführlicher dargestellte Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe ausgerichtet.

Die Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe (ÖDW)

Mit der Österreichisch-Deutschen Wissenschaftshilfe (ÖDW) schlug die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein besonderes Kapitel auf. Gegründet 1929, setzte sich deren Jahresbudget (150.000 RM) zu einem Drittel aus Mitteln der DFG, ergänzt um Mittel des Auswärtigen Amts und des Reichsinnenministeriums, zusammen. Ziel war es, die österreichische Wissenschaft, „wo sie in nähere Beziehung zu Deutschland tritt“ zu fördern, als förderungswürdig galten vor allem Arbeiten, die „über deutsches Land und Volkstum in Österreich“ forschten (Mertens, 2004: 292). Jochen Kirchhoff hebt als eine der herausragenden Arbeiten der in den frühen Jahren aus Mitteln der ÖDW geförderten Arbeiten den Atlas der deutschen Volkskunde“ hervor (Kirchhoff, 2007: 344).

Wie der Wissenschaftshistoriker Lothar Mertens herausarbeitet, kam im Dritten Reich eine hochpolitische Aufgabe hinzu, indem „nun in Österreich mit Berufsverbot belegte NSDAP-Aktivisten ein(en) großen Teil der Klientel“ stellten (Mertens, 2004: 292). In einem Schreiben des Leiters der ÖDW, Richard Suchenwirth, an den Präsidenten der DFG, Rudolf Mentzel, hält dieser fest, die ÖDW habe „die besondere Aufgabe, den nationalen und nationalsozialistischen Forschern Österreichs Wirkungsmöglichkeit, ja in besonderen Fällen auch Lebensunterhalt zu gewähren, wo sich bedrängte Lagen ergeben. In diesem Sinne hat die Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe segensvoll an der Erhaltung eines verantwortungsbewussten deutschen Forschertums in Österreich gearbeitet und die dafür verfügbaren Gelder, teils Zuwendungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, teils solche des Auswärtigen Amtes, nach genauer Prüfung der politischen und persönlichen Würdigkeit der Antragsteller, gewährt“ (Schreiben vom 21. November 1936, zitiert nach Mertens, 2004: 294).

Die eindeutig politisch motivierte Bewilligung von ÖDW-Stipendien belegen die folgenden Kommentare auf einer undatierten Aufstellung: „‚fleissiger Wissenschaftler mit nationalsozialistischen Gedankengängen an die Prähistorie herangehend‘; ‚Hauptschullehrer, wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung fristlos entlassen'; „seine Untersuchungen mit nationalsozialistischem Gedankengut erfüllt‘; ‚aus seinem Beruf [Gymnasialprofessor; LM] wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung ohne Bezüge entlassen‘“ (Mertens, 2004: 295f.).

Im Zuge der Mitte der 30-er Jahre einsetzenden Kürzungen der Reichsmittel für die DFG sanken auch die für die ÖDW bereitgestellten Mittel auf 20.000 RM im Jahr 1935 und auf 10.000 RM in 1936 (Zierold, 1968: 186). Während das Gros der in GEPRIS Historisch einen ÖDW-Verweis enthaltenen Anträge in die Jahre 1933 bis 1938 fällt, sind für die Folgejahre nur noch wenige Einzelfälle dokumentiert.

Übersicht der in GEPRIS Historisch recherchierbaren Anträge mit Sonderfinanzierung

Mithilfe der folgenden Übersicht haben Sie die Möglichkeit, gezielt nach Anträgen zu recherchieren, die über bestimmte Sondertöpfe finanziert wurden. Es ist darauf hinzuweisen, dass die entsprechend markierten Anträge allenfalls als exemplarische Fälle zu betrachten sind, da Hinweise zur Finanzierung nur ausgewählten Quellen zu entnehmen waren. Insbesondere für den Stifterverband ist die Zahl entsprechend gekennzeichneter Anträge so gering, dass wir für diese Liste auf eine Aufnahme verzichtet haben.

Tabelle 1: Übersicht der in GEPRIS Historisch dokumentierten Sondermittelfinanzierungen

Bezeichnung Zweck Laufzeit Anträge (N)
Emergency Fonds (Emergency Society for German and Austrian Science and Art, New York, USA) Publikationsförderung 1921–1927 12
Rockefeller-Fonds (Rockefeller Foundation und Laura Spelman Rockefeller Memorial, USA) Förderung medizinischer Forschung sowie Beschaffung insb. medizinischer Literatur 1924–1935 21
Chemie-Fonds (Hajimi Hoshi, Japan) Förderung von Vorhaben insb. in der Chemie 1922–1924 107
Elektrophysik-Fonds (General Electric Company, USA, Siemens & Halske A.-G. und Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (beide Berlin) Förderung insb. elektrophysikalischer Vorhaben 1923–1925 125
Fonds der Deutschen Physikalischen Gesellschaft Förderung insb. physikalischer Vorhaben 1932–1933 9
Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe (ÖDW) Forschungen zu deutschem Land und Volkstum in Österreich/Unterstützung von in Ö. aktiven NSDAP-Aktivisten 1929–1943 631
Wissenschaftliche Akademikerhilfe Unterstützung von Wissenschaftlern in Not 1933–1935 130
Volksdeutsche Wissenschaftshilfe (VDW) Förderung von Vorhaben insb. in den Geisteswissenschaften 1937–1944 114
Roche-Fonds (Fa. Hoffmann-La Roche, Basel) Förderung insb. pharmakologischer Vorhaben 1932–1942 76
Literatur

Flachowsky, Sören, 2008: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart.

Kirchhoff, Jochen, 2007: Wissenschaftsförderung und forschungspolitische Prioritäten der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft 1920–1932, München.
https://edoc.ub.uni-muenchen.de/13026/1/Kirchhoff_Jochen.pdf
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Mertens, Lothar, 2004: „Nur politisch Würdige“. Die DFG-Forschungsförderung im Dritten Reich 1933–1937, Berlin.

Notgemeinschaft 1922: Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit bis zum 31. März 1922, Berlin.

Notgemeinschaft 1923: Zweiter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1922 bis zum 31. März 1923, Berlin.

Notgemeinschaft 1924: Dritter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1923 bis zum 31. März 1924, Berlin.

Notgemeinschaft 1926: Fünfter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1925 bis zum 31. März 1926, Berlin.

Notgemeinschaft 1933: Zwölfter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1932 bis zum 31. März 1933, Berlin.

Rusch, Martin, 1926: Über eine neue Methode zur Bestimmung des Wirkungsquerschnittes gegenüber langsamen Elektroden, wiederveröffentlicht in: Annalen der Physik, 385: 707-727.

Stifterverband 2020: Millionen für die Wissenschaft, in: Merton – Onlinemagazin des Stifterverbandes, veröffentlicht am 21. Januar 2020
https://merton-magazin.de/millionen-fuer-die-wissenschaft
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Szöllösi-Janze, Margit, 1998: Fritz Haber 1868–1934. Eine Biographie, München.

Zierold, Kurt, 1968: Forschungsförderung in drei Epochen. Deutsche Forschungsgemeinschaft – Geschichte, Arbeitsweise, Kommentar, Wiesbaden.

  • Zuletzt aktualisiert: 25.09.2024 14:12
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