Die Gründung der Notgemeinschaft (NG) erfolgte in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Trotzdem konnte im ersten Jahresbericht der Notgemeinschaft, der sich auf das Haushaltsjahr 1921/22 bezog, folgende recht positive Bilanz gezogen werden: „Die Finanzlage der Notgemeinschaft war im abgelaufenen Geschäftsjahr noch verhältnismäßig günstig zu nennen, da die doppelte Jahresrate des Reichszuschusses für 1920 und 1921, insgesamt 40 Mill. M(ark), zur Verfügung stand“ (Notgemeinschaft 1922: 9). Aufgestockt wurde dieses Budget um 2,4 Millionen Mark aus Mitteln, die der zur Unterstützung der NG ebenfalls 1920 gegründete Stifterverband der Deutschen Wissenschaft (SV) verfügbar machte (zu diesen und weiteren Sondermitteln vgl. den hier verlinkten Text).
Über die Verwendung der Mittel aus dem Reichszuschuss gibt die folgende Tabelle Auskunft.
Tabelle 1: Verwendung der Mittel im Geschäftsjahr 1921/22
in Mark | in Prozent | |
---|---|---|
Druckbeihilfe | 10.735.448,00 | 26,3 |
Apparate und Materialien | 6.022.105,30 | 14,8 |
Einzelunternehmungen | 1.180.700,00 | 2,9 |
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft | 950.000,00 | 2,3 |
Görres-Gesellschaft | 312.000,00 | 0,8 |
Tierbeschaffung | 400.000,00 | 1,0 |
Werkzeugmaschinen | 4.500.000,00 | 11,0 |
Platin | 526.792,05 | 1,3 |
Quecksilber | 100.000,00 | 0,2 |
Apparate auf Vorrat | 200.000,00 | 0,5 |
Geschäftsunkosten (vom 1. Mai 1921 bis 31. März 1922) | 552.745,59 | 1,4 |
Sicherstellung für Apparate, deren Preise unverbindlich sind | 2.060.000,00 | 5,0 |
Beschaffung von Auslandsliteratur | 13.287.207,74 | 32,5 |
Insgesamt | 40.826.998,68 | 100 |
Quelle: Notgemeinschaft 1922: 13 (eigene Berechnung).
An der Aufstellung beeindruckt neben der pfenniggenauen Darstellung vor allem das Budget für Druckbeihilfen und die Beschaffung von Auslandsliteratur. Auf beides gemeinsam entfallen annähernd 60 Prozent der im Geschäftsjahr 1921/22 bewilligten Mittel. Für das heute dominierende Element der „Einzelunternehmungen“, also die tatsächliche Projektförderung, standen weniger als 3 Prozent der Mittel zur Verfügung, Apparate und Materialien sowie Werkzeugmaschinen übertrafen dieses Budget fast um den Faktor 10 (vgl. hierzu auch den Text zu den Beihilfearten der DFG).
Entsprechend dem hohen Budgetanteil waren auch die im Jahresbericht 1922 nachzulesenden Erläuterungen, nach welchen Verfahren und mit welcher Zielsetzung die NG Mittel für Druckerzeugnisse bereitstellte, sehr detailliert und umfangreich. Dass das Drucken von Werken in wirtschaftlich angespannten Zeiten dabei nicht zuletzt eine sozialpolitische Komponente umfasste, macht das Zitat in folgender Infobox deutlich.
Die Nutzbarmachung der produktiven Erwerbslosenunterstützung im Druckgewerbe für die Zwecke der Notgemeinschaft war Gegenstand umfangreicher mündlicher und schriftlicher Erörterung. In dankenswerter Weise hat der Herr Präsident des Reichsamts für Arbeitsvermittlung unter dem 1. Juli 1921 eine Verfügung erlassen, in der u. a. ausgeführt wird:
„Der volkswirtschaftliche Wert der Maßnahme ergibt sich daraus, daß die durch die Drucklegung erfolgende Nutzbarmachung der Forschungsergebnisse der Wissenschaft neben einer neuen Befruchtung der Wissenschaft selbst im hohem Maße dem Gedeihen der deutschen Wirtschaft dient; gleichzeitig finden die von der Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeiter und Angestellten der Buchdruckereien und sonstigen an der Herstellung der Druckwerke beteiligten Betriebe lohnende Beschäftigung. Ohne Förderung ist die Maßnahme nicht durchführbar, weil die hohen Herstellungskosten durch den verhältnismäßig geringen Absatz, der für derartige Werke zu erzielen ist, nicht eingebracht werden können. Ohne Zugabe von Mitteln würde daher die Drucklegung unterbleiben. Die Bestimmung der herzustellenden Werke erfolgt nach Vorschlägen der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. Die Förderung von Werken, für welche die Zustimmung der Notgemeinschaft nicht vorliegt, darf nicht erfolgen."
Quelle: Notgemeinschaft 1922: 22.
Entwicklung der Buchdrucker- und Buchbinderpreise bis 1922.
Quelle: Notgemeinschaft 1922: 21.
Die Jahre der Hyperinflation stellten die NG hinsichtlich ihres Budgetmanagements vor eine große Herausforderung. Wiederum am Beispiel der Druckkosten macht der Jahresbericht 1922 auf die in folgender Abbildung dargestellte Entwicklung der Buchdruckerpreise für Werke, Zeitschriften und sonstige regelmäßig erscheinende Blätter aufmerksam.
Eine Steigerung um 17.200 Prozent in weniger als sieben Jahren und vor
allem
die großen Sprünge innerhalb weniger Wochen des Jahres 1922 – eine Basis für eine halbwegs
belastbare Budgetplanung war so auf jeden Fall nicht gegeben.
Die weiteren Ausführungen befassen sich mit der als „katastrophal“ bezeichneten Entwicklung der Papierpreise. Waren in Friedenszeiten noch 35 – 40 Pfennig für das Kilo Druckpapier zu bezahlen, so waren es im Dezember 1921 schon 8 Mark, im März 1922 stieg der Preis auf 40 Mark und im Dezember 1922 auf 240 Mark – wie der Bericht festhält, „das 600fache des Friedenspreises“.
Im Ausblick des Berichts auf das kommende Haushaltsjahr wird denn auch eine Rechnung aufgemacht, die von wenig Optimismus geprägt ist: Um nur die allernötigsten Maßnahmen finanzieren zu können, wird eine Summe von 380 Millionen Mark als realistisch angesehen und wie folgt kommentiert: „Auf eine Bewilligung in dieser Höhe aus Reichsfonds wagt die Notgemeinschaft im gegenwärtigen Augenblick nicht zu rechnen. Sie bittet aber dringend darum, um das angefangene Werk nicht dem Untergange preisgeben zu müssen und einer in Zukunft unwiederbringlichen Verödung anheimfallen lassen zu müssen, durch den Nachtragsetat die zur Unterstützung erforderlichen Mittel von 40 Mill. M(ark) auf mindestens 200 Mill. M(ark) zu erhöhen“ (Notgemeinschaft 1922: 42).
Tapezieren einer Wand mit Ein-Mark-Scheinen, die zum Zeitpunkt der Hyperinflation in der Weimarer Republik deutlich billiger waren als eine Tapete.
Quelle: Bundesarchiv Bild 102-00104, Inflation, Tapezieren mit Geldscheinen,
CC BY-SA 3.0 DE.
Tatsächlich verwies der Jahresbericht des Folgejahres in seiner Rechnungslegung auf Einnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden Mark, darunter allein mehr als 100 Millionen Mark, die im Geschäftsjahr als Diskont auf Reichsschatzwechsel, Devisen- und Effektengewinne zu verbuchen waren. Dem gegenüber standen Ausgaben in Höhe von annähernd 860 Millionen Mark.
Ein Jahr später heißt es lapidar: „Eine übersichtliche Rechnungslegung, wie im letzten Jahresbericht enthalten, zu geben, ist unter den Verhältnissen des letzten Geschäftsjahres unmöglich. Die Zahlen der drei im Laufe des Jahres erfolgten Bewilligungen, 4,4 Milliarden Mark, 900 Milliarden Mark und 500 000 Goldmark, zeigen dies am besten. Solche Zahlenzusammenstellungen haben nur noch für den Rechnungsprüfer Wert, vermitteln aber kein Bild von der Verwendung der Mittel“ (Notgemeinschaft 1924: 5).
Allerdings zeigen sich in diesem Bericht auch erste Hoffnungsschimmer, nicht zuletzt festgemacht an dem Umstand, dass die Politik trotz widrigster Umstände an der Idee der Notgemeinschaft festhielt: „Es muß hierbei aufs wärmste anerkannt werden, daß alle in Frage kommenden Behörden und parlamentarischen Körperschaften des Reiches, sowie auch der Herr Reichspräsident selbst, sich trotz aller Schwierigkeiten einmütig für das Fortbestehen der Notgemeinschaft eingesetzt haben. Das feste Vertrauen auf die Fortdauer dieser Haltung ist es, das die Notgemeinschaft trotz der ernsten Lage mit voller Zuversicht in das neue Geschäftsjahr eintreten läßt“ (Notgemeinschaft 1924: 5).
Im Geschäftsjahr 1924/25 war die aus der Inflation resultierende Not dann endlich bewältigt. Im März 1924 teilte der Reichsminister des Inneren mit, dass nunmehr ein Betrag von 3 Millionen Goldmark für Zwecke der Notgemeinschaft bereitgestellt werden könne (Notgemeinschaft 1925: 6). Zwar reichte auch dieser Betrag zunächst nur für das Nötigste. Aber man zeigte sich optimistisch: „Mit dankbarer Befriedigung kann jedoch festgestellt werden, daß die Reichsregierung und die gesetzgebenden Körperschaften des Reiches mit vollem Verständnis den Aufgaben der Notgemeinschaft gegenüberstehen und ihr, soweit es die Finanzen des Reiches irgend gestatten, auch in Zukunft die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen werden“ (Notgemeinschaft 1925: 7).
Tatsächlich sind die folgenden Jahre für die Notgemeinschaft Wachstumsjahre, wie die folgende Tabelle im Vergleich der Haushaltsjahre 1924 bis 1943 ausweist.
Tabelle 2: Budgetentwicklung der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1924 bis 1943
Reichsmittel (in RM)* | Summe der Einnahmen (in RM) | |
---|---|---|
1924 | 3.091.825 | ? |
1925 | 8.231.610 | ? |
1926 | 4.738.000 | ? |
1927 | 7.970.450 | 12.863.242 |
1928 | 7.964.029 | 9.593.376 |
1929 | 6.991.300 | 7.935.581 |
1930 | 7.008.999 | 7.728.797 |
1931 | 5.075.840 | 5.215.908 |
1932 | 4.374.000 | 4.452.545 |
1933 | 3.936.600 | 4.279.063 |
1934 | 3.936.600 | 4.279.063 |
1935 | 4.077.000 | 5.993.423 |
1936 | 2.516.522 | 5.190.749 |
1937 | 5.327.000 | 5.829.832 |
1938 | 8.143.325 | 8.373.767 |
1939 | ? | ? |
1940 | 5.137.167 | 5.549.159 |
1941 | 6.543.880 | 6.887.827 |
1942 | 8.115.615 | 8.540.028 |
1943 | 7.908.234 | 8.148.368 |
* = Ist-Zahlen
Quelle: Flachowsky, 2008: 375 (Tabellenauszug. Dort ausgewiesen sind weiterhin die Reichsmittel Etat-Soll-Zahlen sowie die je Jahr erfolgten Ausgaben).
Die Zahlen beziehen sich jeweils auf Haushaltjahre (1. April–31. März des Folgejahres).
Der starke Sprung 1925 resultierte aus einer Sonderbewilligung in
Höhe von 5 Millionen Reichsmark als ordentlicher Reichszuschuss und zudem einer für zwei Jahre
bestimmten Extrasumme
von 3 Millionen Reichsmark. Beides war für die neu eingeführten
Gemeinschaftsarbeiten vorgesehen, mit denen die Notgemeinschaft gezielt vor allem
anwendungsorientierte Forschungsförderung betrieb. Sieht man von dieser Sonderzahlung ab, zeigt
sich bis 1931 eine zunächst jährlich steigende und sich dann auf einem Niveau von gut 7
Millionen Reichsmark konsolidierende Entwicklung.
1931 kommt es zur Zäsur. Statt wie im Vorjahr mit 7 Millionen Reichsmark muss die DFG nun mit
nur noch 5 Millionen RM ihre Arbeit bestreiten. In den Folgejahren sinkt das Budget weiter, auf
erst
4,3 Millionen RM (1932), dann, im Jahre der Machtergreifung der Nationalsozialisten, auf
etwa
4 Millionen RM (1933 bis 1935). Dies zunächst nicht etwa, weil die DFG bei der Politik in
Ungnade gefallen wäre, sondern vor allem vor dem Hintergrund der
Weltwirtschaftskrise.
Massenandrang bei der Berliner Sparkasse nach Schließung der Banken, 13. Juli 1931. Infolge der Weltwirkschaftskrise schrumpfte das Budget der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-12023 / Georg Pahl /,
CC BY-SA 3.0 DE.
Ähnlich wie bereits 1925 und unter ausdrücklichem Verweis auf den Erfolg des seinerzeit neu eingerichteten Programms „Gemeinschaftsarbeiten“ versuchte der Präsident der DFG, Friedrich Schmidt-Ott, dieser Entwicklung in Form von zwei sogenannten Dezember-Denkschriften entgegenzuwirken – mit dem Vorschlag, das Budget nicht weiter zu kürzen, sondern im Gegenteil massiv zu erhöhen.
Schmidt-Ott führte dabei aus, dass insbesondere die Wirtschaft in hohem
Maße
auf die wissenschaftliche Forschungsarbeit angewiesen sei. Die DFG könne bei der
„Wiederbelebung
der deutschen Wirtschaft“ eine tragende Rolle einnehmen, indem sie aus dem von der
Regierung
vorgesehenen Fonds für das Arbeitsbeschaffungsprogramm „mindestens
10 Millionen Mark für
wissenschaftliche Arbeit im Interesse der Arbeitsbeschaffung“ bereitstelle (vgl.
Flachowsky,
2008: 104). Rückhalt für diese Position fand Schmidt-Ott in einer Denkschrift, die auf das
ehemalige Mitglied der Leitung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt, Ottfried von Dewitz,
zurückging. Dort wurde als wichtige Aufgabe beschrieben, den Wissenschaftlern „den Kontakt mit
der Produktion“ zu erleichtern, um dadurch auch den Weg vom Labor zur Fabrik zu verkürzen. In
der Stärkung der direkten industriellen Forschung durch Steuermittel sah die Denkschrift kaum
Potenzial. Vielmehr sollte, auch mit Blick auf positive Erfahrungen des „Vorbilds Englands“ und
seines
„Department of Scientific and Industrial Research“ ,
auch in Deutschland der Versuch
unternommen werden, über eine geeignete Zwischeninstanz Einfluss auf die industriell nutzbare
Forschung zu üben. In den bei Sören Flachowsky (2008: 105f.) zitierten Worten von Dewitz kam
hierfür allein die Deutsche Forschungsgemeinschaft infrage,
„die sich auf alle Zweige der Wissenschaft wie der Technik ausdehnende Organisation. Es wäre Verschwendung und nicht zu rechtfertigen, wenn man neben dieser bewährten und von dem Vertrauen der gesamten Deutschen Gelehrtenwelt getragenen Einrichtung etwa noch eine völlig neue Institution schaffen wollte. [...] Von hier allein ist zu übersehen, wo sich die Persönlichkeiten finden, die man braucht. Hier sind bewährte Formen zu freiwilliger und vertrauensvoller Zusammenarbeit entwickelt worden, und hier bestehen auch die mannigfaltigsten und erprobten Beziehungen zu der Industrie und der Landwirtschaft und ihren Vertretern. Wenn man also den einzig möglichen Weg beschreiten will, so muss man sich dabei der Organisation der Notgemeinschaft bedienen und den Kontakt zwischen Production und angewandter Forschung mit ihrer Hilfe herstellen“ .
Friedrich Schmidt-Ott gelang es im Anschluss, weitere führende Industrievertreter wie Gustav Krupp von Bohlen und Halbach sowie Carl Duisberg für sein Ansinnen zu gewinnen. Aber trotz der Unterstützung durch die Industrie war die Idee, die DFG zu einer noch weit stärker anwendungsorientierten Fördereinrichtung umzuformen, nicht von Erfolg gekrönt: Die Machtergreifung der Nationalsozialisten machte den Plan obsolet (vgl. Flachowsky, 2008: 107).
1933 trat Schmidt-Ott gemeinsam mit den anderen Präsidiumsmitgliedern als Präsident zurück, nach einigen Monaten der „kommissarischen“ Weiterführung wurde er im Juni 1934 durch den neuen Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM), Bernhard Rust, entlassen. Als seinen Nachfolger setzte dieser den Physiker (und Nobelpreisträger) Johannes Stark ein.
Dessen Pläne zur Aufstockung des DFG-Budgets gingen noch weit über die von Schmidt-Ott
avisierten Summen hinaus, für das Haushaltsjahr 1935/36 reichte er einen Voranschlag
über 19,2
Millionen Reichsmark ein. Deren Verwendung sollte unter anderem „zur Hebung der Volksgesundheit und
der Erhaltung und Verbesserung der Erbmasse“ sowie für im weiteren Feld der Rassenhygiene
angesiedelte Forschungsaufgaben dienen. Darüber hinaus galt es, die „Ernährung und Versorgung
mit tierischen und pflanzlichen Rohstoffen“ sicherzustellen, auch die „Auffindung und
Nutzbarmachung unserer Bodenschätze“ sah er als vielversprechend an. Schließlich versprach er
auch Fortschritte auf dem Gebiet der Erschließung nationaler Energiequellen und es galt
weiterhin, die wehrtechnische Forschung auf breiter Front zu fördern (vgl. Flachowsky, 2008:
171).
Trotz dieser durchaus „regimetauglichen“ Vorschläge blieb auch dieser Aufstockungsvorschlag ohne Erfolg, im Gegenteil, das Budget wurde weiter abgesenkt: 1936 sank das vom Reich bereitgestellte Budget auf den historischen Tiefstand von 2,5 Millionen Reichmark. Das REM setzte damit einerseits den politischen Sparzwang um, der sich aus den massiven Aufrüstungsplänen der neuen Reichsregierung ableitete. Andererseits machten diese Kürzungen aber auch schon absehbar, dass das Ministerium mit der DFG andere Ziele verfolgte als deren Leitung.
Wie dramatisch die Finanzlage der DFG darunter litt, illustriert Lothar Mertens (2004: 218) mit folgendem Zitat aus einem Rundschreiben an DFG-Antragsteller:
„Der Betrieb der Deutschen Forschungsgemeinschaft wird am 27. Juli auf vier Wochen geschlossen. Leider ist es bei dem Stande der Mittel nicht mehr möglich, von der für Ende August festgesetzten Wiederaufnahme des Betriebs Ihren Antrag auf [ein Forschungsstipendium; maschinenschriftlich eingefügt; LM] zu erledigen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft wird alsdann auf Ihren Antrag zurückkommen“ .
Im selben Jahr trat Johannes Stark resigniert zurück. Unter der Leitung des ihm nachfolgenden Rudolf Mentzel und mit der Überführung der Geschäfte unter das Regime des 1937 neu gegründeten Reichsforschungsrats (RFR) wurde das Budget wieder aufgestockt. Die Art und Weise, wie das Geld in die Wissenschaft transferiert wurde, war nun allerdings eine völlig andere: Statt maßgeblich auf Antrag und entschieden auf Basis von Gutachten und den Voten von Fachausschuss-Mitgliedern ging man zu einem System über, in dem die mit der Administration befassten Leiter von Fachsparten und die für ausgewählte Fachgebiete eingesetzten Bevollmächtigen weitgehend selbst entschieden, welche Forschung zu unterstützen war. Die Vollmachten reichten soweit, dass diese sogar befugt waren, selbstständig bestimmte Forschungslinien zu initiieren sowie sogenannten Forschungsaufträge zu erteilen. Dieses Instrument diente in den Kriegsjahren ab dem Jahr 1943 dazu, maßgeblich kriegswichtige Forschung zu fördern.
In den Jahren 1938, 1942 und 1943 belief sich das Grundbudget des RFR auf 8 Millionen Reichsmark. Entsprechend einer Kalkulation für das erstgenannte Jahr kam dabei der größte Teil des Geldes den Fachsparten zugute, auf die Geisteswissenschaften, deren Bedarf weiterhin über die Mitarbeitenden der DFG-Geschäftsstelle bedient wurden, entfielen davon 1,5 Millionen Reichsmark. Mit 200.000 Reichsmark wurde die Österreichisch-Deutsche Wissenschaftshilfe unterstützt, für die Verwaltung der DFG waren 300.000 Reichsmark vorgesehen (vgl. Flachowsky, 2008: 376).
1943 gelang es Mentzel schließlich, einen sogenannten Dispositionsfond durchzusetzen. Dieser belief sich auf die zuvor unvorstellbare Summe von 50 Millionen Reichsmark. Dieser Fonds sollte flexibel genutzt werden, sofern die durch das Reich zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel nicht ausreichten.
Geldsorgen, mit denen die DFG zuvor immer wieder konfrontiert worden war, waren damit endgültig kein Thema mehr. Tatsächlich war das Problem denn auch eher, dass man kaum wusste, wie man das viele Geld vernünftig einsetzen sollte. Im Rechnungsjahr 1943/44 gelang es gerade einmal, 16 Millionen Reichsmark auszugeben. Obwohl der RFR so nur etwa ein Drittel des Geldes verwendete, das ihm im Prinzip zur Verfügung stand, meldete Menzel auch für das Haushaltsjahr 1944/45 einen Dispositionsfonds in Höhe von 50 Millionen RM an, mit dem Argument, dass inzwischen „eine Reihe von höchst kriegswichtigen Forschungsaufgaben nunmehr voll angelaufen“ sei. Und tatsächlich gelang es, bis Oktober 1944 bereits mehr als 18 Millionen RM auszugeben.
Bedenkt man, dass parallel hierzu im Rahmen der Kriegshandlungen die sogenannte Kriegswirtschaftsstelle (KWSt) bei ihren Bemühungen, die Versorgung der Forschung sicherzustellen, quasi „zu allen Mitteln“ griff, also zum einen etwa gezielt den Raub von wissenschaftlichen Geräten und Apparaten in den besetzten Gebieten und zum anderen den Einsatz von in Konzentrationslagern inhaftierten ausländischen Wissenschaftlern für die deutsche Rüstungsforschung organisierte, waren somit tatsächlich zumindest in finanzieller Sicht „goldene Zeiten“ für den RFR und die von ihm profitierenden Wissenschaftler angebrochen. 1945 fand dann auch diese Phase ihr jähes Ende.
Flachowsky, Sören, 2008: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart.
Mertens, Lothar, 2004: „Nur politisch Würdige“. Die DFG-Forschungsförderung im Dritten Reich 1933–1937, Berlin.
Notgemeinschaft 1922: Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit bis zum 31. März 1922, Berlin.
Notgemeinschaft 1923: Zweiter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1922 bis zum 31. März 1923, Berlin.
Notgemeinschaft 1924: Dritter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1923 bis zum 31. März 1924, Berlin.
Notgemeinschaft 1925: Vierter Bericht der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft über ihre Tätigkeit vom 1. April 1924 bis zum 31. März 1925, Berlin.