Laureaten - mit Preisen und Akademie-Mitgliedschaften geehrte Antragstellende

GEPRIS Historisch profitiert als Informationssystem stark vom Einsatz sogenannter „Persistenter Identifier (PID)“. Dank ihrer Hilfe war es möglich, das System mit einer Vielzahl weltweit verstreut angebotener Informationsressourcen zu verlinken, besonders prominent in Form von Wikipedia und deutsche-biographie.de und dabei vor allem mit Blick auf dort nachgewiesene Personen. Diese Quellen bieten oft sehr facettenreiche biographische Informationen, Nachweise zum Publikationsaufkommen der in GEPRIS Historisch nachgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch zu Fundstellen in Archiven, etwa in Form von Nachlässen.

Dass die mit PID vernetzten Quellen gerade auch mit Blick auf statistische Fragestellungen ein faszinierendes Angebot bereit halten, zeigt beispielhaft diese Themenseite, die sich mit besonders geehrten Antragstellenden, im Folgenden als „Laureaten“ bezeichnet, beschäftigt: Wie viele der Antragstellenden der Jahre 1920 bis 1945 haben wissenschaftliche Preise erhalten, oder wurden mit der Aufnahme in eine wissenschaftliche Akademie geehrt? Diese und hieraus abgeleitete Fragen lassen sich unter Zugriff auf entsprechende Informationen in Wikidata untersuchen.

Die Informationsressource Wikidata lebt vom Input einer sehr großen und sehr datenaffinen Community. Hunderte Datensammler tragen regelmäßig dazu bei, dass sich das Informationsangebot stetig erweitert. Gerade mit Blick auf prominente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind der Breite des Informationsspektrums kaum Grenzen gesetzt. Verknüpfte Quellen informieren über Geburts- und Sterbeorte (im häufig verlinkten Format „Find a Grave“ auch mit sehr konkretem Hinweis, wo der Gestorbene seine letzte Ruhe fand), über Relationen zwischen Personen (z.B. Doktorandin / Doktorvater), über familiäre Beziehungen und Nachfahren, Mitgliedschaften in Organisationen und vieles andere mehr.

Einschränkend festzuhalten ist, dass diese Form einer community-getriebenen Datensammlung dort an ihre Grenzen stößt, wo es um die Frage der Vollständigkeit und zum Teil auch Genauigkeit erfasster Angaben geht: Weder kann davon ausgegangen werden, dass Wikidata wirklich jeden (oder auch nur jeden bedeutenden) Preis dokumentiert, noch lassen sich die dort abgerufenen Daten ohne eingehende Qualitätskontrolle nutzen. Bei Wikipedia und Wikidata werden zudem regelmäßig Datenbereinigungen entlang definierter Relevanzkriterien durchgeführt – sowohl dort nachgewiesene Personen wie auch wissenschaftliche Preise können also nachträglich gelöscht werden, weil die Datenlage zu dünn ist. Die Daten sind also zum Teil volatil. Die folgenden Analysen zeigen, dass die bei Wikidata gesammelten Informationen gleichwohl ertragreich sind.

Identifikation von Laureaten anhand von Wikidata-Informationen

Hier wird das Netz nun deutlich weiter ausgeworfen, indem wir für alle Personen, die in GEPRIS Historisch mit einer DFG-Antragstellung verzeichnet sind, bei Wikidata Ehrungen der folgenden Art recherchiert haben:

  • Geförderte, die im Laufe ihres Lebens mindestens einen wissenschaftlichen Preis erhalten (einschließlich Ehrendoktorwürden) haben
  • Geförderte, denen eine Mitgliedschaft in einer wissenschaftlichen Akademie verliehen wurde (in der Regel auf Lebenszeit)

Bei der Recherche wurde nicht unterschieden, ob ein Preis oder eine Akademie-Mitgliedschaft im hier betrachteten Zeitraum (1920 bis 1945), vor 1920 oder nach 1945 verliehen wurde. Die Frage ist also nicht, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Anträge als Laureaten gestellt haben. Vielmehr werden Personen ausschließlich danach unterschieden, ob sie im Laufe ihrer wissenschaftlichen Karriere für herausragende Leistungen geehrt wurden, oder nicht.

Dass wissenschaftliche Preise eine Form der Ehrung darstellen, die in der Regel für vorangegangene wissenschaftliche Leistungen vergeben werden, bedarf keiner Erklärung. Auch bezogen auf die Mitgliedschaft in Akademien ist der Aspekt der Würdigung maßgeblich. Auf der Website der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wird etwa betont: „Laut Satzung müssen die Mitglieder der Akademie durch ihre Forschungen zu einer ‚wesentlichen Erweiterung des Wissensbestandes‘ ihres Faches beigetragen haben. Die Akademie besitzt das Selbstergänzungsrecht, das heißt Mitglied kann nur werden, wer auf Vorschlag von Akademiemitgliedern ohne äußeres Zutun und ausschließlich nach seinem wissenschaftlichen Ansehen gewählt wird. Eine Selbstbewerbung ist nicht möglich“. In der Regel besteht eine Akademie-Mitgliedschaft auf Lebenszeit.

BILD: Laborszene 1929 (links im Bild, am Mikroskop, findet sich Rhoda
                        Erdmann, Mitbegründerin der experimentellen Zellbiologie in Deutschland.

Theodore von Kármán, 1950 in den USA (Pasadena).

Quelle: Wellcome, NACA, Gemeinfrei.

Insgesamt verzeichnet Wikidata für 2.272 Personen mindestens einen wissenschaftlichen Preis oder eine Akademie-Mitgliedschaft. Die Liste der Geehrten wird angeführt von dem Physiker und Luftfahrttechniker Theodore von Kármán (23 nachgewiesene Ehrungen), gefolgt von dem Biologen Ernst Mayr (21 Ehrungen) sowie von Max Planck (18 Ehrungen). Mit jeweils 16 Ehrungen finden sich an der Spitze der Liste weiterhin der Chemiker Herman F. Mark sowie die Physiker Albert Einstein und Carl Friedrich von Weizsäcker. Eine vollständige Liste der Laureaten findet sich auf der Wikidata-Seite zu GEPRIS Historisch, wo in unregelmäßigen Abständen auch weitere Analysen in Form von SPARQL-Abfragen hinterlegt werden. Das Gesamt der dem Personenkreis zugeordneten Preise beläuft sich auf 2.261 Auszeichnungen mit 561 verschiedenen Preisen. Darüber hinaus sind 3.375 Akademie-Mitgliedschaften für 1.818 Personen dokumentiert. Wie bereits eingangs ausgeführt, ist sicher davon auszugehen, dass nicht jeder Preis und jede Mitgliedschaft des hier interessierenden Personenkreises Eingang in die Wikidata-Welt gefunden hat. Der vorgefundene Bestand ist gleichwohl umfangreich genug, um daran Trendaussagen festzumachen.

Wissenschaftliche Preise und Akademie-Mitgliedschaften in der NS-Zeit

In der NS-Zeit passten sich die Akademien rasch den veränderten politischen Rahmenbedingungen an. So nahm die Leopoldina unter Emil Abderhalden nach dem April 1933 keine jüdischen Mitglieder mehr auf, obwohl er ein Jahr zuvor selbst noch Albert Einstein vorgeschlagen hatte. Mit der Vorstandssitzung am 23. November 1938 wurden schließlich auch die noch vorhandenen jüdischen Mitglieder offiziell ausgeschlossen. Am 7. Dezember 1938 schrieb Abderhalden an Gauleiter und Minister, „Seit dem Jahre 1933 sind sämtliche Vorschläge von Forschern peinlich genau auf ihre Abstammung geprüft worden. Ferner sind in früheren Zeiten gewählte Mitglieder jüdischer Abstammung ausgemerzt worden, sodass schon seit einiger Zeit die Zusammensetzung des Mitgliederbestandes unserer Akademie in vollem Einklang mit den Erfordernissen der Zeit steht.“ (siehe Gerstergabe, Seidler 2002). Auch die anderen deutschen Akademien, und nach dem „Anschluss“ 1938 die Wiener Akademie, passten Statuten und Mitgliedschaften den NS-Vorgaben an (etwa die neue Satzung der Preußischen Akademie 1939 nach dem Führerprinzip oder die NS-Satzung der ÖAW von 1938). Die Thematik wurde in den 1990er Jahren durch wissenschaftshistorische Studien aufgearbeitet (Gerstengarbe 1994).

Auch Preisverleihungen blieben nicht verschont, wie am Beispiel der Goethe-Medaille und dem Adlerschild an späterer Stelle exemplarisch ausgeführt wird. Jüdische und politisch missliebige Persönlichkeiten wurden von Preisverleihungen grundsätzlich ausgeschlossen, umgekehrt untersagten die Nationalsozialisten deutschen Wissenschaftlern die Annahme solcher ausländischen Preise, die der NS-Ideologie widersprachen, prominent etwa des Nobelpreises (siehe Themenseite Nobelpreise).

Damit spiegeln die Preislisten und Akademiemitgliedschaften nicht nur wissenschaftliche Exzellenz wider, sondern zugleich die Mechanismen ideologischer Steuerung und Ausgrenzung, die auch im Bereich wissenschaftlicher Ehrungen wirksam wurden.

Die am häufigsten vergebenen Preise

Welchen Preisen kommt für DFG-Antragstellende der Jahre 1920 bis 1945 besondere Bedeutung zu? Tabelle 1 dokumentiert die 20 Preise, die am häufigsten verliehen wurden.

Die Liste wird angeführt von der Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft und dem Orden Pour le merité – und damit von zwei Auszeichnungen, die im Dritten Reich politisch eine kaum gegensätzlichere politische Bewertung erfahren haben. Die Goethe-Medaille wurde von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Gedenken an den 100. Todestag des Dichters am 22. März 1932 gestiftet. Verliehen wurde sie nicht nur an Wissenschaftler, sondern auch an Künstler, Beamte und Politiker. Bis zu Hindenburgs Tod im August 1934 wurden 195 Personen mit der Medaille ausgezeichnet. Nach der Übernahme der Funktionen des Reichspräsidenten verlieh Adolf Hitler ab November 1934 die Medaille in geänderter Form. Juden und politisch Unliebsame im Sinne der Nürnberger Gesetze wurden nicht mehr berücksichtigt. Insgesamt haben 406 Personen diese Version der Goethe-Medaille erhalten. In den Kriegsjahren verlor die Medaille durch immer häufigere Verleihung ihre ursprüngliche Reputation. Die letzte Verleihung erfolgte im Dezember 1944 (vgl. für diese und weitere Informationen zu Preisen die in der Abbildung verlinkten Wikipedia-Seiten).

BILD: Pour le Mérite

Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste.

Quelle: Urheber: Borodun. Tallinn Museum of Orders., CC BY-SA 4.0.

Der Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste kann auf eine besonders lange Tradition zurückblicken, er wird seit 1740 verliehen. Ursprünglich nutzte Friedrich der Große den Orden zur Ehrung sowohl für militärische wie zivile Verdienste, ohne nationale Begrenzung. 1842 führe König Friedrich Wilhelm IV, beraten durch Alexander von Humboldt, eine besondere Friedensform „für die Verdienste um die Wissenschaft und Künste“ ein. Anders als der Kriegs-Pour le mérite überdauerte dieser Friedensorden 1918 das Ende der Monarchie. Entsprechend dem generellen Ordensverbot der Weimarer Verfassung wurde der Pour le mérite jetzt als ›Abzeichen‹ eingestuft und durfte nicht mehr ins Ausland vergeben werden. Im Jahr 1933 wurde Albert Einstein mit dem Orden geehrt, auch die als erste Frau gewählte Sozialistin Käthe Kollwitz und der später als entartet geschmähte Künstler Ernst Barlach erhielt diese Auszeichnung. Unter den Nationalsozialisten wurde die Ordensvergabe schrittweise verunmöglicht. Hermann Göring ließ als preußischer Ministerpräsident die bisherigen Inhaber von der Gestapo „auf ihre politische und künstlerische Eignung“ überprüfen, woraufhin der Orden allen Juden und politischen NS-Gegnern wie Kommunisten abgesprochen wurde – unter anderem auch Käthe Kollwitz. Nach dem Krieg wurde die Ordensvergabe 1952 auf Anregung von Theodor Heuss wiederbelebt (vgl. zu diesen und weiteren Informationen auch die folgende Website des Preises).

Auf Rang 3 und 4 folgen zwei Orden mit Regionalbezug, der Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst und die in der DDR vergebene Auszeichnung Hervorragender Wissenschaftler des Volkes. Der erstgenannte Orden ist die höchste Auszeichnung des Landes Bayern, gestiftet wurde sie bereits 1853 durch König Maximilian II von Bayern. Die zweite Auszeichnung wurde 1951 von der Regierung der DDR gestiftet und bis zum letzten Jahr vor der Wiedervereinigung 1989 vergeben. Den ältesten Preis in der Liste stellt die Cothenius-Medaille dar (benannt nach ihrem Stifter), die seit 1792 von der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina verliehen wird. Am jüngsten ist der erstmals 1962 vergebene Fresenius-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker.

Die häufigsten Akademie-Mitgliedschaften

Die Liste der Akademien mit den meisten Mitgliedern aus dem Kreis der Antragstellenden der DFG wird von der ältesten deutschen Akademie, der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina angeführt (Tabelle 2).

BILD: Handschütteln.

Festsitzung der Leopoldina zum naturwissenschaftlichen Werk Goethes 1929.

Quelle: Leopoldina-Archiv, Signatur: 002/06/01.

An ihr waren immerhin 935 DFG-Antragstellende der Jahre 1920 bis 1945 Mitglied. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften folgt auf Rang 2. Die internationale Sichtbarkeit der Laureaten bringt zum Ausdruck, dass sich unter den Top-20 Akademien immerhin zehn (weitere) ausländische Gelehrtenakademien finden, nämlich aus Schweden, Russland sowie der ehemaligen UdSSR. den USA, Großbritannien, Italien und den Niederlanden – was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass in der NS-Zeit vor allem jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezwungen waren, zu emigrieren und ihre Karriere, oft sehr erfolgreich, im Ausland weiter zu verfolgen. Wir kommen darauf zurück.

Die Laureaten Typologie

Insgesamt lassen sich gut 17 Prozent aller DFG-Antragstellenden der Gruppe der Laureaten zuordnen. Dabei entfallen etwa 9 Prozent auf Personen, für die bei Wikidata ausschließlich eine Akademie-Mitgliedschaft dokumentiert ist, 3 Prozent auf Personen, für die nur Preisverleihungen erfasst wurden und schließlich 5 Prozent auf Personen, die sowohl Mitglied einer Akademie waren, wie auch mit Preisen Gewürdigte. Abbildung 1 weist die Laureaten-Anteile je Wissenschaftsbereich (WSB) aus. Die Zuordnung einer Person zu einem WSB erfolgte über den Fachausschuss, dem die meisten Anträge der Person zugeordnet sind. In uneindeutigen Fällen (129 von 12.773 Personen) wurden ergänzend die Angaben im biographischen Kurztext (z.B.: Deutscher Botaniker und Hochschullehrer) herangezogen. 441 Personen konnten keinem WSB zugeordnet werden.

Der WSB-Vergleich zeigt eine hohe Übereinstimmung in den Anteilen der vier unterschiedenen Gruppen. Aus dem Rahmen fallen allerdings die Ingenieurwissenschaften mit einem vergleichsweise geringen Anteil an Laureaten (9 Prozent). Am höchsten ist deren Anteil in den Naturwissenschaften, auch und gerade in Bezug auf die Gruppe der Personen, die sowohl mit Preisen geehrt wurde wie mit Akademie-Mitgliedschaften. Ihr Anteil ist unter den antragstellenden Naturwissenschaftlern mehr als doppelt so hoch, wie in den anderen Wissenschaftsbereichen.

Vertriebene Laureaten

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde im April 1933 das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums erlassen. Es diente im Wesentlichen der Vertreibung von nach nationalsozialistischer Definition politisch unliebsamen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie solchen jüdischer „Abstammung“. Laut einer Studie von Michael Grüttner und Sven Kinas waren etwa 19 Prozent des Lehrkörpers der deutschen Universitäten, bezogen auf den Stand im Wintersemester 1932/33, von den Vertreibungen betroffen (Grüttner/Kinas 2007: 147).

Für GEPRIS Historisch wurde eine seinerzeit von der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft im Ausland“ initiierte Liste Vertriebener aufbereitet, um dort verzeichnete Personen gezielt recherchierbar zu machen (vgl. Themenseite Vertreibung). Die folgenden Analysen greifen auf diese Liste zu.

Die Vertreibung traf nicht selten herausragende wissenschaftliche Persönlichkeiten. Unter den 43 bei der DFG als Antragstellende der Jahre 1920 bis 1945 verzeichneten Nobelpreisträgern finden sich neun Vertriebene, darunter James Franck, Otto Stern, Albert Einstein und Max Born. Weitet man den Blick auf andere Preisträger und Akademiemitglieder, zeigt sich, dass der von Horst Möller beschriebene „riesige Aderlass deutscher Wissenschaft“ (zit. nach Grüttner/Kinas 2007: 147) auch hier deutlich sichtbar wird: Knapp 30 Prozent der Vertriebenen gehörten zur Gruppe der Laureaten. Ihr Anteil lag damit deutlich höher als im Gesamtdurchschnitt der Antragstellenden. Dabei gilt zu beachten, dass viele Ehrungen erst nach der Emigration, häufig im Ausland, verliehen wurden. Gerade jüngere Vertriebene erbrachten ihre preis- und akademiewürdigen Leistungen also vielfach erst in den Ländern, in die sie aus Nazi-Deutschland fliehen mussten.

Laureaten nach Periode

Unterscheidet ich der Laureaten-Anteil je nachdem, in welcher zeitlichen Periode Personen als Antragstellende an die DFG herantraten? Verglichen werden hierfür die Jahresspannen 1920 bis 1929, 1930 bis 1937 und 1938 bis 1945. Anzumerken ist, dass viele Antragstellerinnen und Antragsteller in zwei, häufig auch drei Perioden DFG-aktiv waren. Die Perioden sind also hinsichtlich ihrer personellen Zusammensetzung nicht überschneidungsfrei.

Wie Abbildung 3 zeigt, gibt es von Periode zu Periode tatsächlich leichte Verschiebungen. Sind für die 1920 bis 1929 Antragstellenden noch in 25 Prozent der Fälle Ehrungen in Form von wissenschaftlichen Preisen und Akademie-Mitgliedschaften dokumentiert, sinkt dieser Anteil in der mittleren Periode auf 21 und in den Kriegsjahren schließlich auf 18 Prozent. In GEPRIS Historisch sind für genau 536 vertriebene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Antragstellungen dokumentiert. Dazu kommt noch dass diese ab etwa Mitte der zweiten Periode, insbesondere aber vor allem in der dritten Periode nicht oder allenfalls selten in der Lage waren, DFG-Anträge zu stellen. Dies dürfte von nicht geringem Einfluss auf die dokumentierte Entwicklung gewesen sein.

Ausblick

Mit dieser Themenseite ist neben der kurzen Auseinandersetzung mit der inhaltlichen Frage nach dem Gewicht, das wissenschaftliche Laureaten unter Antragstellenden der DFG eingenommen haben auch eine methodische Frage verbunden – in der Form, dass sie exemplarisch zeigt, welche Möglichkeiten für wissenschaftliche Fragestellungen sich aus der Verknüpfung der Daten zur DFG-Förderung der Jahre 1920 bis 1945 mit Daten in der Wikimedia-Welt ergeben. Anzumerken ist, dass diese Wiki-Daten nicht 1:1 für analytische Zwecke genutzt werden sollten, sondern auf Vollständigkeit und Korrektheit geprüft werden müssen. So war beispielsweise nicht für alle vertriebenen und entfernten Mitglieder der Leopoldina der Mitgliedschaft in Wikidata verzeichnet, diese wurde nachgetragen.

Zu beachten ist auch, dass die Daten ständig „im Fluss“ sind, etwa indem bis dahin nicht dokumentierte Preisverleihungen ergänzt, oder inhaltliche Informationen zu diesen Preisen modifiziert werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die bei Wikidata gehaltenen Daten dank regelmäßiger Nutzung ihre Qualität im Zeitverlauf eher steigern.

Zum Informationssystem GEPRIS Historisch gibt es bei Wikidata eine eigene Website. Dort werden in unregelmäßigen Abständen Sonderanalysen mit Bezug zu den in dem System berücksichtigten Personen und Institutionen vorgestellt, die auf Wikidata-Daten fußen. Unter der Überschrift „SPARQL-Abfragen“ findet sich aktuell etwa eine Auswertung zu in Wikidata (sehr lückenhaft) erfassten Beziehungen zu Doktorvätern/-müttern und zu den Doktorandinnen und Doktoranden von den Antragstellenden in GEPRIS Historisch.

Die gemeinsame Nutzung und stetige Anreicherung von Daten zeichnen auch ein von Wikimedia unterstütztes Projekt von Historikerinnen und Historikern um den an der Universität Halle (Saale) tätigen Wissenschaftler Olaf Simons aus. Er leitet das Historische Datenzentrum Sachsen-Anhalt und ist im Projekt NFDI4Memory für "Data Connectivity" zuständig. Am Datenzentrum gemanagt wird die FactGrid-Datenbank, ein offenes, gemeinschaftliches und mehrsprachiges Projekt, an dem – Stand Juli 2025 – 650 Teilnehmende aus aller Welt beteiligt sind. FactGrid schafft den Rahmen für Projekte von Personen, denen daran gelegen ist, dass ihre oft mühsam generierten Datensammlungen über den Ursprungszweck hinaus genutzt werden – auch in dem Wissen, dass sie davon mittelfristig selbst wieder profitieren können, wenn etwa für Folgestudien zu nutzende neue Informationsquellen erschlossen und bereitgestellt werden. Auch mit Blick auf die Daten, die für GEPRIS Historisch aufbereitet wurden und weiterhin werden ist geplant, diese über FactGrid den dort vernetzt arbeitenden historischen Forscherinnen und Forschern zur Verfügung zu stellen.

Literatur

Gerstengarbe, Sybille (1994): Die Leopoldina und ihre jüdischen Mitglieder im Dritten Reich. In: Jahrbuch 1993. Leopoldina (Reihe 3). Band 39: 363-410.

Gerstengarbe, Sybille, & Seidler, Eduard (2002). „… den Erfordernissen der Zeit in vollem Ausmaß angepasst.“ Die Leopoldina zwischen 1932 und 1945. In B. Parthier (Hrsg.), 350 Jahre Leopoldina – Anspruch und Wirklichkeit. Festschrift der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina 1652–2002 (S. 242). Halle (Saale): Druck-Zuck-GmbH. ISBN 3-928466-45-3

Grüttner, Michael und Kinas, Sven, 2007: Die Vertreibung von Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933–1945, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 55, 1: 123–186.

  • Zuletzt aktualisiert: 05.12.2025 09:11
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